Wirtschaft

Chancen (er-)kennen und nutzen

Chancen (er-)kennen und nutzen

Das Alte auf eine neue Weise tun“, so sagte es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter, das sei Innovation. Für ihn war der Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ der Kern unternehmerischen Handelns. Für Schumpeter kamen die auslösenden Impulse aus dem Markt, heute sind globale Entwicklungen wie der Klimawandel oder die Rohstoffverknappung zusätzliche Treiber für Produktinnovationen. Auf dem Weg zur „Green Economy“ wird jedes verantwortlich handelnde Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt, einfache Qualitätsversprechen reichen nicht mehr aus, um am Markt zu bestehen. Produkte müssen einer nachhaltigen Entwicklung genügen, ausgehend von der ressourcenschonenden Produktion bis hin zur umweltgerechten Entsorgung. Vorausschauende Unternehmer berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien deshalb schon bei der Entwicklung und verbessern damit ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Nachhaltigkeit auch im Maschinenbau

Längst sehen Unternehmen aller Branchen die Herausforderung als Chance und sichern mit innovativen Lösungsansätzen die Zukunftsfähigkeit ihrer Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen. Zahlreiche Brancheninitiativen zeugen von der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und die sind längst nicht mehr nur im Konsumgütermarkt zu finden. Ende 2011 hat der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA ) die Nachhaltigkeitsinitiative „Blue Competence“ ins Leben gerufen. Mehr als 250 Unternehmen und weitere 37 Branchenverbände haben sich inzwischen der Initiative angeschlossen. Nachhaltigkeit und Maschinenbau werden selten in einem Atemzug genannt, dies will die Initiative ändern und die Innovationsfähigkeit dieser Schlüsselbranche sichtbarer machen und weiter vorantreiben. Vor allem für die Zulieferindustrie wird dies auch zur Überlebensfrage. In den Einkaufsabteilungen großer Konzerne finden Nachhaltigkeitskriterien zunehmend Einzug und auch bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand werden ökologische und soziale Kriterien zukünftig immer öfter Berücksichtigung finden. Dann kann die bessere Ökobilanz oder die richtige Zertifizierung zum ausschlaggebenden Kriterium werden. Schließlich werden auch an die Endprodukte Nachhaltigkeitsforderungen gestellt.

In der Praxis dominiert Energieeffizienz

„Jedes Produkt, das wir neu entwickeln, muss seinen Vorgänger ökonomisch und ökologisch übertreffen“, heißt es deshalb beim fränkischen Anbieter von Luft- und Antriebstechnik ebm-papst, Teilnehmer der „blue competence“-Initiative. Unter der Unternehmensleitlinie „GreenTech“ fasst das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsaktivitäten zusammen. Schon während der Produktentwicklung werden Umweltverträglichkeit, Energiebilanz und Recyclingfähigkeit berücksichtigt, und zwar sowohl für die Produktion als auch für den späteren Einsatz beim Kunden. Lebenszykluskostenrechnung oder Produktlinienanalyse sind die Instrumente, mit denen Unternehmen die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Produkte erfassen können. In der Praxis dominieren noch ökologische Aspekte, meist wird an erster Stelle die Energieeffizienz verbessert und in der Folge der Product Carbon Footprint, der ökologische Fußabdruck eines Produktes. Dieser berücksichtigt die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und über den gesamten Lebenszyklus des Produktes.

Tatsächlich reichen die Anforderungen an eine verantwortungsvolle Produktentwicklung viel weiter und berücksichtigen ebenso Aspekte wie Ressourcenschonung, Biodiversität, Barrierefreiheit, Langlebigkeit oder Recyclingfähigkeit. Vor allem gilt, es die Produktions- und Nutzungsphase zu berücksichtigen. Gerade dieser Teil der Lebenszyklusbetrachtung wird gerne vergessen, aber die Verantwortung endet nicht an den Werkstoren. Innovative Produktlösungen haben deshalb auch die Auswirkungen beim Kunden beziehungsweise Konsumenten im Blick. Ein nachhaltiger Mehrwert überzeugt Kunden, und so hat man bei ebm-papst nicht nur die Einsparungen bei Energie und CO2-Ausstoß im Blick, sondern ebenso die Reduzierung von Geräuschemissionen sowie eine nachhaltige Logistik. Durch zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg, sieht sich das mittelständische Unternehmen bestätigt und für die Zukunft gut aufgestellt.

„Unsere Produkte müssen den Kunden einen Mehrwert bieten“, sagt auch Andreas Merkel. Er ist Geschäftsführer des mittelständischen Familienbetriebs Otto Garne. „In unserem Segment lohnt es sich eigentlich nicht, in Deutschland zu produzieren“, so Merkel, „deshalb setzen wir auf eine Premium- und Nischenstrategie.“ Seine Abnehmer kommen aus der Textilindustrie, und die kauft hauptsächlich in den Billiglohnländern Asiens ein. „Garne bieten normalerweise nur begrenztes Innovationspotenzial“, so Merkel, „und neue Produkte lassen sich schnell kopieren.“ Mit innovativen und nachhaltigen Lösungen gelingt es ihm trotzdem, Hersteller wie Triumph, Lacoste, Daniel Hechter oder Brax zu überzeugen. Den entscheidenden Vorsprung sichert sich Otto Garne mit seinen „Sustainable Concepts“. Dahinter verbergen sich Produkte wie „recot2“, eine Faser, die aus frischer Baumwolle und recycelten Produktionsabfällen entwickelt wurde, oder „Piumafil“, ein hochwertiges Garn aus der als nicht verspinnbar geltenden Kapokfaser. Rund 20 Prozent vom Umsatz erwirtschaften diese nachhaltigen Produkte inzwischen, mit deutlichen Steigerungen, wie Merkel erklärt. So kann das Unternehmen seine Produktion am Standort Deutschland sichern und sich auch im Wettbewerb um Fachkräfte durchsetzen. „Wir gelten in der Region als attraktiver Arbeitgeber“, so Merkel, „vor allem auch durch unsere  Firmenphilosophie, in der Nachhaltigkeit fest verankert ist.“


Der Letzte seiner Art

Unternehmensporträt Gebr. Otto Baumwollfeinzwirnerei GmbH & Co. KG

Vor genau 112 Jahren wurde im württembergischen Dietenheim die Firma Otto Garne gegründet. Ein Exot in einer Branche, die es in Deutschland eigentlich nicht mehr gibt, die längst ins Ausland abgewandert ist. Für Otto Garne war dies nie ein Thema, wie Geschäftsführer Andreas Merkel versichert: „Wir leben hier unsere Werte von Generation zu Generation. Dazu gehört, dass wir uns mit unserem Standort identifizieren“. Am Gründungsort Dietenheim und im benachbarten Unterbalzheim beschäftigt das inzwischen in vierter Generation geführte Familienunternehmen 160 Mitarbeiter. Hier werden die jährlich 3.000 Tonnen feine Baumwollgarne und 1.000 Tonnen hochwertige Garne für die Kunden aus der Textilindustrie gesponnen und gezwirnt. „Nachhaltigkeit und Innovation bestimmen unser unternehmerisches Handeln“, sagt Merkel. Sichtbar wird dies in der Unternehmenssparte „Sustainable Concepts“ mit den Produktlinien Bio, Fairtrade, Piumafil und recot2. Seit 1998 befasst sich das Unternehmen mit der Entwicklung nachhaltiger und ganzheitlicher Produktionskonzepte, als Reaktion auf steigende ökologische Ansprüche der Kunden. Zahlreiche Zertifikate vom Fairtrade-Siegel bis hin zum Global Organic Textile Standard (GOTS ), einem Siegel für soziale und ökologische  Produktionsbedingungen in der textilen Wertschöpfungskette, belegen die Anstrengungen. Bei der neuesten Produktentwicklung recot2, in die das Unternehmen 300.000 Euro investiert hat, stand das Thema Recycling im Mittelpunkt. Mit einem neuen Verfahren werden Produktionsabfälle und Baumwolle zu einem Garn verarbeitet und dadurch Ressourcen geschont und auch enorme Mengen Wasser eingespart. „Der weltweite Wassermangel wird das zentrale Problem der Zukunft“, erläutert Merkel die Motivation für diesen Ansatz. Entstanden ist recot2 aus einer Kooperation mit der Universität Ulm. „Gerade in der Produktentwicklung sind Kooperationen und Netzwerke der Schlüssel für kleinere Unternehmen“, so Merkel.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „Zukunft unternehmen“ der Bertelsmann Stiftung

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Ein PDF ist ein PDF – Trends im Online-Reporting

Ein PDF ist ein PDF – Trends im Online-Reporting

Literatur und Nachhaltigkeits-Reporting haben auch auf den zweiten Blick nicht viel miteinander zu tun, manch blumige Formulierung außer Acht gelassen. Vielmehr ist ein PDF einfach nur ein PDF und soll im Sinne von Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ auch so verstanden werden. Ein digitalisierter und als PDF ausgegebener Nachhaltigkeitsbericht kann online verwendet werden, ist aber weit davon entfernt, ein Online-Bericht zu sein. Die Frage lautet also: Was macht einen Online-Bericht aus, und wenn wir darüber reden, meinen dann alle das Gleiche? 

Nackte Informationen, klar und übersichtlich strukturiert, das ist es, was Analysten und Investoren bevorzugen und von Unternehmen erwarten. Doch damit lassen sich beispielsweise junge Leser, die von Instagram-Bilderwelten verwöhnt sind, kaum begeistern. Sie haben andere Informations- und Lesegewohnheiten und stellen andere ebenso wichtige Erwartungen an Unternehmen. Beide zu erreichen, ist Sinn und Aufgabe eines Online-Nachhaltigkeitsberichts. „Das ist die Unterscheidung zwischen Kür und Verpflichtung. Zwischen online bereitgestellten PDF-Dokumente ohne Funktion bis zu interaktiven Websites mit einem echten funktionalen und inhaltlichen Mehrwert des Digitalen“, sagt Nils Giesen, Senior Consultant beim Bremer Softwareentwickler Abat. 

Ein Nachhaltigkeitsbericht ist ein stichtagsbezogenes Zeugnis über eine zurückliegende Zeit, die in solchen Fällen meist ein bis zwei Jahre umfasst. Genau diese Bedingung muss online erfüllt sein, um von einem Nachhaltigkeitsbericht zu sprechen. An den gebotenen Standards orientiert zu berichten und gleichzeitig die kommunikativen und dialogorientierten Möglichkeiten einer Onlinepräsentation zu nutzen, ist die Herausforderung für CSR-Verantwortliche. Die Abgrenzung muss klar sein, soll aber nicht einengen. Denn Online-Reporting bietet ungeahnte Möglichkeiten, das Thema Nachhaltigkeit und die im Unternehmen gelebte Verantwortung zu illustrieren, läuft aber Gefahr, Nachhaltigkeitskommunikation und Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verschmelzen. „Aus meiner Sicht sollte die CR-Website einen Überblick über die wesentlichen Themen und Managementansätze in puncto Nachhaltigkeit geben – so kurz und prägnant wie möglich“, sagt Eloy Barrantes, Geschäftsführer der Wiener Kommunikationsagentur nexxar. „Der Online-Bericht dagegen ist das Gedächtnis und bietet detaillierte Informationen zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung. Wichtig ist natürlich, dass beide miteinander verknüpft werden.“

Online ist oft grundlegender

„Onlineberichterstattung folgt gewissen formalen Regeln, meist vorgegeben durch ein Rahmenwerk wie die GRI“, zieht Elisabeth Senger eine wichtige Abgrenzung. Für die Senior Beraterin der Münchner Kommunikationsagentur akzente folgt daraus in erster Linie die transparente Darstellung der Pflichtindikatoren. „Online über Nachhaltigkeit zu berichten ist oft grundlegender, es geht stark um die Unternehmenshaltung zum Thema. Dies schließt viele weitere Formate und Zielgruppen mit ein“, so Senger. „Zudem kann viel aktueller als in der printorientierten Berichterstattung kommuniziert werden.“ 

Davon scheint allerdings noch nicht jedes Unternehmen überzeugt zu sein. Schaut man in den aktuellen Corporate Reporting Monitor, eine internationale Studie rund um die Unternehmensberichterstattung des Center for Corporate Reporting (CCR), lassen sich einige Trends ablesen, wie sie zukünftig auch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gelten können. Demnach hat sich das Motto „PDF first“ bei 51 Prozent der Unternehmen bereits etabliert, Tendenz steigend. Ihren Nachhaltigkeitsbericht „Online first“ veröffentlichen dagegen nur 16 Prozent. Dennoch lässt sich eine Zunahme der Onlineberichte, die diesen Namen auch verdienen, feststellen. Manche DAX-Unternehmen haben sich inzwischen vollständig auf die Online-Berichterstattung konzentriert und bieten ein rudimentäres PDF mit den GRI-Vorgaben für Investoren an. Unter Analysten und Investoren ist das PDF ohne Schnickschnack die beliebteste Form der Nachhaltigkeitsberichterstattung. 

Das PDF hat also noch lange nicht ausgedient. „Der ausschlaggebende Punkt der Berichterstattung ist immer Transparenz, die dem interessierten Leser ermöglicht wird. Der Blick auf die Zielgruppen ist damit entscheidend: Wer braucht welche Informationen auf welchem Weg?“, sagt Elisabeth Senger. „In vielen Fällen ist eine integrierte Kommunikation mit zielgruppenspezifischen Formaten zielführend. Nur so kann den Informationsbedürfnissen der verschiedenen Stakeholder entsprochen werden.“ Angelegt im Querformat, navigierbar, durchsuchbar und archivierbar kommt das PDF dem Use Case der Nachhaltigkeitsexperten am Desktop immer noch am besten entgegen. Entsprechend wird dieses Format in vielen Unternehmen wieder verstärkt eingesetzt. Senger: „Unternehmen sollten sich aber schon lange nicht mehr für oder gegen Formate entscheiden, sondern für Zielgruppen und Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation, die sich wiederum aus Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie ableiten.“

Ein Klick wechselt zwischen zwei Ansichten

Wie das aussehen kann, zeigt der mehrfach ausgezeichnete 2018er Nachhaltigkeitsbericht des Lebensmittelkonzerns Rewe-Group. Mit einem Klick wird zwischen zwei Ansichten gewechselt. Auf der einen Seite taucht der Leser in anschaulich aufbereitete Informationen über die zentralen Nachhaltigkeitsthemen des Handelskonzerns ein. Auf der anderen Seite bietet der integrierte GRI-Bericht genau die Informationen, Daten und Fakten, die Analysten und Investoren interessieren. Innerhalb des GRI-Berichts lassen sich die Daten entweder anhand der GRI-Indikatoren sortieren oder anhand der Rewe-Nachhaltigkeitsstrategie. Egal für welchen Weg der Leser sich entscheidet, er wird wahrscheinlich fündig, denn die Informationen gehen in die Tiefe und sind schnell aufzufinden. Mit einem Mausklick lässt sich der gesamte GRI-Bericht auch als PDF runterladen und umfasst dann 267 Seiten. Zudem kann jederzeit das ebenfalls online produzierte Nachhaltigkeitsmagazin aufgerufen werden. Darin sind die wichtigsten Themen für einen breiteren Leserkreis aufbereitet. Auf diesem Weg will man in Köln unterschiedliche Zielgruppen gleichermaßen ansprechen. Der Bericht kann über eine eigene Domain aufgerufen werden, ist aber trotzdem in den gesamten Webauftritt des Unternehmens integriert.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Deutsche Telekom mit ihrem ebenfalls ausgezeichneten Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2018. Das in Bonn ansässige Unternehmen setzt konsequent auf Onlineberichterstattung und bietet den gesamten Bericht (242 Seiten) oder nur den GRI-Index als PDF zum Download an. Im Internet ist der Bericht über eine Subdomain erreichbar, die sich optisch in den Gesamtauftritt einfügt, trotzdem sofort erkennbar vom Rest der Seite abgrenzt. Auf der Homepage des Berichts werden zentrale Verantwortungsthemen des Konzerns angesprochen und laden zur Vertiefung ein. Dabei landet man allerdings schnell im ebenfalls online umgesetzten Nachhaltigkeitsmagazin weCare. Hier verschwimmen die Grenzen und nur der Blick auf die Domäne zeigt an, wo man sich als Rezipient gerade befindet. Sehr schön gelöst ist ein interaktives Kennzahlentool, mit dem sich die wichtigsten KPIs aller Konzernunternehmen vergleichen lassen und die zugleich der Einstieg in die Tiefen des Berichts sind. Solche interaktiven Elemente sind immer noch die Ausnahme in der Online-Berichterstattung. 

Die Microsite ist quasi Pflicht

Beide Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie Nachhaltigkeitsberichterstattung insgesamt und Online-Reporting im Speziellen aussehen können. Denn eine digitale Aufbereitung sollte auch digitales Denken beinhalten. Doch genau daran scheitern viele Online-Berichte. Da wird dann der lineare Aufbau eines Printprodukts einfach übertragen und fertig ist der online publizierte Nachhaltigkeitsbericht. Selbst so erstellte PDFs bieten Möglichkeiten der Interaktivität, die jedoch selten genutzt werden. Vielmehr ist das unter Umständen mehrere hundert Seiten umfassende PDF noch nicht mal über ein Inhaltsverzeichnis steuerbar. So bleiben die Leser auf der Strecke oder werden gar nicht erst erreicht. 

Am Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig unterscheidet man mehrere mögliche Varianten für Online-Berichte. Das sind die Berichtsformen, bei denen der komplette Inhalt in HTML umgesetzt wird. Dann gibt es die Teaser-Page, auf der zentrale Inhalte aufbereitet sind, für deren Vertiefung verlinkte PDFs angeboten werden. Die Hybriden bieten Teile des Berichts in HTML an, andere dagegen als PDF. Alle diese Varianten lassen sich auch bei Nachhaltigkeitsberichten finden. Wichtig ist immer die klare und transparente Abgrenzung. „Die Microsite ist bei Online-Berichten quasi Pflicht“, sagt Eloy Barrantes. „Nutzer müssen klar erkennen können, dass sie sich nicht auf der Website des Unternehmens, sondern im Online-Nachhaltigkeitsbericht befinden.“ Im Vergleich zur stets aktuellen Unternehmenswebsite wird auf der Microsite auch der stichtagsbezogene Fix-Charakter erkennbar: Ebenso wie gedruckte Berichte werden diese nach Veröffentlichung nicht mehr verändert. In der Form einer Microsite kann sich der Nachhaltigkeitsbericht als zentrale Unternehmenspublikation aber auch funktional und gestalterisch von der Corporate Website abheben. 

Prozesse greifen nicht ineinander

An anderer Stelle zeigt sich, dass Online-Berichterstattung noch nicht zu Ende gedacht wird. Selbst wenn Nachhaltigkeitsberichte mit hohen Budgets umgesetzt werden, führen sie anschließend ein Dasein in der Nische. Während die Deutsche Telekom und die Rewe-Group ihre Nachhaltigkeitsberichte ganz selbstverständlich und prominent in den Online-Unternehmensauftritt integrieren, ist man bei anderen Unternehmen umständlich auf der Suche nach geeigneten Informationen. Die Gründe sind eher praktischer Natur und keine Absicht, meint Joëlle Loos-Neidhart, Leiterin Marketing und Kommunikation der Schweizer Neidhart + Schön Group, die aktuell die Online-Berichterstattung von Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz untersucht haben. „Die nicht-finanziellen Kennzahlen sind oftmals noch nicht bereit, wenn die finanzielle Berichterstattung erfolgt“, so Loos-Neidhart. „Letztere ist seit vielen Jahren in den Prozessen optimiert und eingespielt und im Trend immer früher im Jahr abgeschlossen, während die nicht-finanziellen Kennzahlen eine neuere Entwicklung darstellen und oftmals die Erfassung der Daten noch eine Herausforderung ist.“

Hinzu kommt, dass in vielen Unternehmen das nicht-finanzielle Reporting von einem anderen Fachbereich verantwortet wird. Unzureichend ausgestattete CSR-Abteilungen, wie sie das letzte CSR-Benchmark der Kölner Agentur Net-Federation beschreibt, leisten ihr übriges. Demnach fehlen in vielen Unternehmen die erforderlichen Ressourcen, um die Nachhaltigkeitskommunikation strategisch aufzubauen. Interessant wäre an dieser Stelle, wie sich die unterschiedliche Vorgehensweise auf die Zugriffszahlen auswirkt. Doch diesbezüglich ist die Auskunftsfreudigkeit der Unternehmen nicht sehr ausgeprägt. 

Klar ist auf jeden Fall: Gut gemachte Online-Berichte erhöhen gegenüber gedruckten Berichten die Aufmerksamkeit deutlich. Unternehmen sollten zukünftig also das reichhaltige Spektrum der Online-Kommunikation nutzen. „Es wird heute bei weitem noch nicht alles umgesetzt, was technisch möglich wäre. Beispielsweise Adhoc-Daten die spannendes Story-Telling begleiten wären heutzutage schon leicht umsetzbar“, so Nils Giesen. Auch neue technologische Ansätze wie virtual- oder augmented reality (VR oder AR) werden in die Onlineberichterstattung einfließen. Der Sportartikelkonzern adidas hat bereits erste Maßnahmen in der Nachhaltigkeitskommunikation getestet. Die Potenziale sind für Elisabeth Senger unverkennbar: „Diese neuen Technologien können reale Einblicke in Unternehmen und Lieferketten gegeben, die bisher nur durch Beschreibungen oder Bilder möglich waren. Klar ist aber auch, dass sich dann die Budgets in der Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig an die der Geschäftsberichterstattung angleichen müssen.“

Keep it Simple and Stupid 

Der Werkzeugkasten für die zielführende Umsetzung der Online-Berichterstattung orientiert sich an den gängigen Standards moderner Webdesign-Programmierung. „Die User Experience muss stimmen, andernfalls ist der Leser schnell wieder weg, ohne die Inhalte aufgenommen zu haben“, so Elisabeth Senger. Für Nils Giesen heißt die Devise: Keep it Simple and Stupid. “Auch wenn es sicherlich spannend ist, gedanklich die Nachhaltigkeitsberichte in AR oder VR zu denken, eine heutige Umsetzung sollte auf Standardtechnologien basieren und bei Usability dem Mobile-first oder Mobile-responsive folgen.“ Das Feature-Repertoire für Online-Berichte zählt mittlerweile um die 100 Funktionen in sehr unterschiedlichen Komplexitätsstufen. „Zum Standard zählt es z.B., dass man in allen Online-Berichten Tabellen als XLS-Datei herunterladen kann“, so Eloy Barrantes. Auch eine Relevanz gesteuerte Suche sowie ein Responsive Design für mobile Endgeräte zählen zu den „Must-haves“. Barrantes: „Für mich kennzeichnen sich gute Online-Berichte aber vor allem dadurch, dass sie medienspezifische Darstellungsformen einsetzen und digitale Möglichkeiten ausschöpfen. Etwa im Bereich des Customized Reporting – z.B. durch Tagging.“ 

Auf jeden Fall gehört dem Online-Reporting die Zukunft, auch wenn PDFs und gedruckte Berichte noch lange nicht aussterben. Dennoch scheint das gedruckte Wort auf dem Rückzug. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat gemeinsam mit der Agentur Nexxar Geschäftsberichte der DAX30 Unternehmen untersucht und dabei festgestellt: Während 2009 noch 30.842 Berichte gedruckt wurden, waren es 2019 nur noch 1.856 Exemplare. Ein sicheres Indiz für das Nachhaltigkeits-Reporting, davon ist Joëlle Loos-Neidhart überzeugt: „Nachhaltigkeitsinformationen werden in der Tendenz nicht gedruckt, sondern online veröffentlicht und dies immer öfter und professioneller, was dem Trend der Digitalisierung in der Kommunikation entspricht.” Vor allem weil Online-Berichte völlig neue Lesergruppen erschließen. „Online-Berichte sind heute ganz klar das Leitmedium der Nachhaltigkeitsberichterstattung“, bestätigt Eloy Barrantes. 

Von zentraler Bedeutung bleibt aber der grundlegende Anspruch an die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Wahrhaftigkeit, Transparenz und Wesentlichkeit im Internet beizubehalten. Online gilt ebenso: ein Nachhaltigkeitsbericht ist ein Nachhaltigkeitsbericht. 


Das bietet Online-Nachhaltigkeitsberichterstattung

Sicher ist, die Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte wird zunehmend online stattfinden. Oft liegen die Daten, die Basis jedes Berichts, schon digital vor. Doch digital ist noch lange nicht online. Online-Berichte müssen die Rezipienten im Blick haben, um ihre Vorteile voll auszuspielen. Worauf Unternehmen dabei achten sollten, haben uns die Experten von akzente Kommunikation und Beratung aus München erklärt:

Transparenz als Basis

Transparenz gegenüber allen Stakeholdern ist das A und O. Online bedeutet Transparenz auch Auffindbarkeit: Inhalte sind im Netz für jeden von überall und jederzeit zugänglich, durchsuchbar und vergleichbar – im Falle von archivierten Berichten noch Jahre nach der Veröffentlichung. Theoretisch. Denn gerade Nachhaltigkeitsberichte sind oft schwer auffindbar. Hier sollten Unternehmen auf Suchmaschinenoptimierung setzen, Themen und Informationsebenen verlinken und Barrierefreiheit mitdenken. 

Responsiv – nicht nur im technischen Sinne 

„Mobile first“ gilt natürlich auch in der Nachhaltigkeitskommunikation, die korrekte Ausgabe von Inhalten auf allen Devices ist essenziell. Doch Responsivität bedeutet zugleich, auf Nutzer einzugehen. Zum einen, indem Unternehmen die Klickzahlen auswerten und so die Interessen der Nutzer erkunden. Zum anderen, indem Dialogangebote bereitgestellt, aktiv genutzt und strategisch eingebunden werden. Beides ist für Nachhaltigkeitsinhalte bisher eher selten der Fall. 

Formate richtig nutzen

Online sind enorme Reichweiten möglich, eine strategische Kommunikation mit zielgruppenspezifischen Formaten vorausgesetzt. Das sollten die Nachhaltigkeitsberichterstatter nutzen: Interaktive Kennzahlendarstellungen und Grafiken können vieles veranschaulichen und Inhalte neuen Zielgruppen zugänglich machen. Hashtags verbinden Inhalte und machen es leichter, sie zu entdecken. Videos und Podcasts nehmen weiter in der Verbreitung zu. Letztere erleben derzeit geradezu einen Boom und eigenen sich gut für die Vermittlung von Nachhaltigkeitsinhalten.

Live berichten

Neben relevanten Inhalten und zielgruppenspezifischer Ansprache ist die Aktualität online entscheidend. Kontinuierliche Kommunikation zu aktuellen Entwicklungen über Social Media und die eigene Webseite sind die Konsequenz. Live-Umfragen und -Dialoge können Stakeholder in die Gestaltung des Wandels einbeziehen. Auch Live-Berichterstattung wird ein Thema werden: Nicht mehr die Rückschau auf ein vergangenes Jahr, sondern was heute passiert, ist für die meisten von Interesse – gerade in der aktuellen Klimaschutzdiskussion.

Dieser Text erschien zuerst im CSR-Magazin.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Digital disruptiv oder Veränderung ist machbar

Digital disruptiv oder Veränderung ist machbar

Der fortschreitende Einzug digitalisierter Prozesse und Produkte in nahezu alle Branchen scheint disruptiv zu sein. Was gestern noch galt hat schon morgen keine Bedeutung mehr. Doch stimmt das eigentlich? Bei genauer Betrachtung wird die Mogelpackung entlarvt. Nicht überall wo digital draufsteht, ist Disruption drin.

Von der Pole-Position ins Aus

Disruption ist ein hässliches Wort. Zerstörung, oder vielleicht etwas milder Unterbrechung oder Veränderung, wirken erstmal unbequem, machen Schluss mit Gewohnheiten können gar Angst einflössen. Ganz anders die Digitalisierung. Damit verbinden wir im besten Sinne des Wortes Innovation, Fortschritt und insgesamt eher Verbesserung. Was ist dann digitale Disruption?

Als ein Beispiel wird dann gerne der Niedergang der Traditionsmarke Kodak genannt. Vom bedeutenden Produzenten fotografischer Ausrüstung auf direktem Weg in die Pleite. Möglich machte das der Siegeszug der Digitalkamera, denn selbst orthodoxe Anhänger der analogen Fotografie konnten die Vorteile der Digitalfotografie nicht dauerhaft ignorieren. Die zunehmende Verbreitung der Smartphones mit integrierter Digitalkamera besorgte den Rest. Alle Versuche des amerikanischen Unternehmens den Anschluss erneut zu bekommen scheiterten und endeten schließlich 2012 mit der Insolvenz und dem Verkauf der Fotosparte. Heute hat Kodak im Geschäft mit der Fotografie keine Bedeutung mehr. Das eigentlich tragische an diesem Beispiel ist, das Kodak die Digitalkamera erfunden hat, das Potenzial der Erfindung aber nicht wirklich erkannte.

Sicher ist Kodaks Entwicklung nicht nur auf eine frühe Fehlentscheidung zurückzuführen. Aber das Beispiel zeigt sehr anschaulich was der kürzlich verstorbene Clayton Christensen, Erfinder des Begriffs „disruptive Innovation“, immer wieder betonte. Clayton nannte dies erhaltende Innovation. Das meint nichts anderes, als dass sich erfolgreiche Unternehmen auf ihre lukrativen Kunden und Geschäftsfelder konzentrieren und für diese bestehende Produkte immer weiter verbessern. Riskanten neuen Entwicklungen geht man dann lieber aus dem Weg und scheitert am Ende. Ein Dilemma für etablierte Unternehmen, aber eine Chance für Start-ups.

Kulturwandel mit Tücken

Manager müssen disruptive Technologien frühzeitig erkennen können, um in ihren Geschäftsfeldern erfolgreich zu bleiben, war sich Clayton sicher. Doch dafür bräuchte es andere Organisationsstrukturen, in denen sich disruptive Innovationen entwickeln können. Inzwischen sind seine Worte in den Vorstandsetagen angekommen und immer mehr Großkonzerne versuchen bei Start-ups anzubändeln. Mit mäßigem Erfolg, denn disruptive Innovationen lassen sich nicht einfach in einer kurzen Auszeit mit Start-up-Kultur entwickeln und dann in schwerfällige Konzernstrukturen einbinden. Disruption braucht Querdenker und Regelbrecher, aber die werden in Konzernen nicht gerne gesehen. Disruption bedeutet aber immer auch Risiko und die Möglichkeit des Scheiterns. Das mögen Konzernlenker genauso wenig.  

Clayton beschreibt in seinem Buch „The Innovators Dilemma“ zwei mögliche Prozesse disruptiver Innovationen. Beiden gemein ist der Anspruch, mit geringen Ressourcen und viel Lust an der Gestaltung etablierte Unternehmen und Geschäftsfelder herauszufordern. Junge Unternehmen mit disruptiven Geschäftsideen fang genau da an, wo etablierte Unternehmen nicht hinschauen. Sie wollen das einfachere Produkt, preiswerter und mit Potenzial zur Skalierung. Disruptive Unternehmen stellen den Kundenutzen und das Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt ihres Handelns. Damit überzeugen sie immer mehr Kunden und während sie von den etablierten Mitbewerbern ignoriert werden, erobern sie schließlich den Markt. Als zweiten möglichen Prozess beschreibt Clayton die Schaffung neuer Märkte durch innovative Produkte oder Dienstleistungen.  

Wann ist Digital auch disruptiv?

Die heute fortschreitenden digitalen Technologien haben dem neuen Verständnis der Disruption den Weg geebnet und Möglichkeiten erschaffen, wie sie in der analogen Welt kaum denkbar waren. Dabei waren die Nerds in den IT-Abteilungen schon immer auch disruptiv unterwegs. Für sie gehört das neue, das andere quasi zur DNA. Die Nerds pflegen ihre eigene Kultur, kümmern sich nicht um die Konventionen und Regeln des Geschäftslebens und werden deshalb schon argwöhnisch betrachtet. Gepaart mit geschäftlichem Erfolg werden sie gar als Bedrohung wahrgenommen. Vor allem wenn sie in konservative Geschäftsfelder wie beispielsweise die Finanzwelt vordringen und Geschäftsideen und Technologien entwickeln, die geeignet sind, die Bankenwelt auf den Kopf zu stellen, von etablierten Bankern aber kaum verstanden werden. Fintechs! Was soll das sein? Das klappt nie! So verwundert es nicht, wenn inzwischen jede scheinbare digitale Innovation auch als digitale Disruption bezeichnet wird. Nicht selten ein Fehlurteil.

So werden beispielsweise der Fahrdienst Uber oder die Vermietungsplattform AirBNB als Leuchttürme disruptiver Digitalisierung betrachtet. Wendet man allerdings Claytons Definition einer disruptiven Innovation an, so muss man in beiden Fällen zu einem anderen Urteil kommen. Beide Unternehmen setzten konsequent auf Digitalisierung und versuchen etablierte Märkte zu verändern. Sicher, Uber hat im etablierten Taxi-Gewerbe für viel Unruhe gesorgt und in etlichen Ländern neue gesetzliche Regelungen angestoßen. Doch setzt Uber nur auf ein bestehendes Geschäftsmodell auf, erschließt weder neue Märkte noch neue Kundengruppen. Uber wäre für Clayton eine erhaltende Innovation. Dennoch hat das amerikanische Start-up die Welt der Taxiunternehmen durcheinander und gegen sich aufgebracht. In den meist kleinen Taxiunternehmen herrschte anfangs regelrechte Panik angesichts des milliardenschweren Start-ups aus dem Silicon Valley.

Flussaufwärts gegen den Strom

Jahre zuvor hatte der etablierte Buch- und Einzelhandel in Deutschland eine ähnliche Erfahrung gemacht. Mit dem zunehmenden Erfolg von amazon forderten die örtlichen Buchhändler nach Regulierung und bettelten ihre Kundschaft regelrecht an, ihre Bücher doch weiterhin am Ort zu kaufen. Sonst, so die weitverbreitete Drohung, würde es bald keinen lokalen Buchhandel mehr geben. Die Gegenwart zeigt ein anderes Bild. Der Buchhandel hat sich verändert, aber er lebt noch immer.

Unternehmen sollten daraus eine wichtige Lehre ziehen, sie müssen die neuen Herausforderungen als Chance begreifen. Unternehmen die im Red Ocean – dem gesättigten Markt bequem mitschwimmen wollen, werden auf Dauer untergehen. Wettbewerb und Unsicherheit sind eine Tatsache, die als Chance begriffen werden muss. Unternehmen mit disruptivem Potenzial erkennen die Chancen, verlassen etablierte Strukturen und stoßen in neue Märkte – dem Blue Ocean vor. Digitalisierung bietet die Möglichkeit und disruptive Digitalisierung ist die Chance.

Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, ist eine bekannte Weisheit aus Marketing und Werbung. Sie beschreibt ebenso deutlich die Herausforderung und den Anspruch digitaler Disruption. Produkte und Dienstleistungen müssen besser und wettbewerbsfähiger werden und nicht einfach nur cooler. Digital disruptive Produkte sind intuitiv, sie wecken Bedürfnisse, die der Kunde vorher nicht hatte und sie verändern Lebensgewohnheiten. Keine 15 Jahre ist es her, das hat der US-Amerikaner Steve Jobs mit seinem Unternehmen Apple ein Produkt auf den Markt gebracht, dessen Nutzen viele zunächst nicht erkannten. Als 2007 das erste I-Phone in den Regalen lag, war nicht zu ahnen, welche Bedeutung es innerhalb kürzester Zeit erlangen konnte. Heute ist ein Leben ohne Smartphone kaum mehr vorstellbar. Der Erfolg lag sicher in der Weitsicht eines Steve Jobs, aber er hat noch weitere Väter. Denn mit dem Siegeszug der Smartphones hat sich der Umgang mit digitalen Inhalten jeder Art vollständig verändert.

Jobs hat mit dem I-Phone einen Kundenutzen geschaffen, den es vorher nicht gab und der jetzt nicht mehr wegzudenken ist. Er hat die Stärke Appels genutzt, intuitiv bedienbare und dabei noch schön anzusehende Produkte zu entwickeln und gleichzeitig ein plattformbasiertes Geschäftsmodell etabliert. Erst das vielfältige Angebot an Apps machte aus dem I-Phone das erfolgreiche Produkt. Erst die App macht aus dem I-Phone das Produkt mit echtem Kundennutzen und sorgt für den entscheidenden Impuls: Das muss ich haben. Apple hat sich dabei voll auf seine Kernkompetenz konzentriert und die Fähigkeit zur Entwicklung leistungsfähiger Apps, genau denen überlassen, die davon etwas verstehen. Durch die Bündelung auf dem eigenen Marktplatz ist Apple aber immer noch Herr über das Geschehen und Gatekepper für das Hauptprodukt I-Phone.

Digitale Disruption ist kein Schicksal, sondern eine Haltung

Apple hat im besten Sinne disruptiv gehandelt. Hat einen neuen Markt und ein neues Kundenbedürfnis aus der Taufe gehoben, hat Handys vorheriger Bauart fast vollständig vom Markt verdrängt und damit schlussendlich den Gesamtmarkt der Informations- und Kommunikationstechnologie nachhaltig verändert. Denn aus dem zaghaften „online first“ der 2000er Jahre ist längst ein „mobile first“ geworden. Wie konnte das gelingen? Apple und Steve Jobs in Person machten zu dieser Zeit und auch die Jahre davor zwei Dinge sehr richtig.

Jobs hat quasi eine Unternehmenskultur der digitalen Disruption gepflegt. Alles sollte möglich sein oder möglich gemacht werden. Apple hat die digitale Transformation bereits gelebt, als sie in vielen etablierten Unternehmen noch skeptisch betrachtet wurde. Nach den schweren Rückschlägen durch die Dotcom-Blase war in vielen Unternehmen business as usual angesagt, hatten Werte, Produkte und Prozesse etablierter Industrien wieder Konjunktur. Unternehmen wie Nokia hat diese Entwicklung, neben anderen Managementfehlern, sprichwörtlich das Genick gebrochen. Heute spielt der einstige Star der Mobilfunktechnologie praktisch keine Rolle mehr.

Allerdings war der Siegeszug des I-Phones nicht vorhersehbar. Unternehmen die die digitale Transformation aktiv mitgestalten wollen brauchen eine hohe Risikotoleranz. Scheitern nicht ausgeschlossen. Sicher wollte Jobs nicht zu den Verlierern gehören, aber er ist das Risiko eingegangen.  Nicht kopflos, sondern mit einer Unternehmenskultur die Kreativität, Schnelligkeit, Präzision und Kundennutzen zum Dogma erhob und einer Unternehmensstrategie der digitalen Disruption. Für Jobs war klar, die Karten werden jetzt neu gemischt. Wer dann abwartet und nur auf bewährte Konzepte setzt wird nicht zu den Gewinnern gehören. Komfortzone gegen Siegertreppchen ist die Entscheidung die Unternehmen aktiv treffen müssen.

Diese Entscheidung haben auch andere Unternehmen aus dem Silicon Valley und der weltweiten Start-up-Szene getroffen. Sie wollen zu den Siegern gehören und setzen oftmals alles auf eine Karte, im festen Glauben an die Überlegenheit ihres Geschäftsmodells. Doch längst nicht jedes, mit Milliarden gepimpte Jungunternehmen ist ein Vorreiter digitaler Disruption. Nicht selten werden einfach nur Modeerscheinungen verfolgt, wird kopiert und möglichst schneller skaliert als es die Konkurrenz schafft. Mit viel Geld wird die Strategie des First-Mover-Advantage verfolgt in der Hoffnung den Markt zu beherrschen. Dabei können Kreativität, Innovationsgeist und Kundenutzen auf der Strecke bleiben.

Unternehmen die wirklich digital disruptiv unterwegs sind, folgen keinen Modeerscheinungen, sondern erkennen langfristige Trends, surfen auf dieser Welle zum Erfolg und gestalten ihre Märkte. Das erfordert manchmal einen langen Atem und der muss durch mutige Investoren ermöglicht werden. Ein Beispiel dafür ist Facebook. Die Idee und Vision von Marc Zuckerberg wurden von vielen Akteuren lange nicht verstanden. Heute sind soziale Netzwerke nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken.

Echte digitale Disruption ist also nicht einfach nur ein digitales Kleidchen für bestehende Produkte. Für digital affine Führungskräfte sind digitale Transformation und disruptive Innovation Antrieb und digitale Disruption nicht nur ein Buzzword, sondern unternehmerische Chance.

Diesen Magazin-Text habe ich als Ghostwriter für einen Managementberater geschrieben.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
„Sinn“- Krise – Profit mit Purpose

„Sinn“- Krise – Profit mit Purpose

Die Covid-19-Pandemie öffnet Horizonte – das ist eine der zentralen Erkenntnisse jenseits von Epidemiologie und Medizin. Damit ist nicht nur der freie Blick auf Gebirgszüge gemeint, die ansonsten hinter dichtem Nebel unserer Wohlstands-Emissionen zu erahnen waren. Vielmehr werden grundlegende gesellschaftliche Fragen neu aufgeworfen oder rücken unmissverständlich ins Zentrum der Wahrnehmung.

Purpose ist mehr als das nächste große Ding

Ganz besonders trifft dies auf die Frage zu, ob unsere Art zu leben und zu wirtschaften nicht dringend korrigiert werden muss. Purpose ist dabei das Stichwort der Stunde. Aus dem Buzzword der vergangenen Zeit hat sich, schon bevor Corona China verlassen hat, eine intensivere Auseinandersetzung mit aktuell gesellschaftlichen Herausforderungen entwickelt und fordert auch von Unternehmen eine Haltung ein. Im Idealfall ist Purpose für Unternehmen mehr als das nächste große Ding, im Idealfall führt es zu einem tieferen Umdenken. Marketingtrends haben vielleicht ihre Berechtigung, die Auseinandersetzung um Sinn und Zweck unternehmerischen Handelns sollte allerdings, und das gilt ganz besonders in Corona-Zeiten, zu umfangreicherem Denken anregen.

Am Anfang, also im März, als die Corona-Pandemie den öffentlichen Raum in Beschlag nahm, hat die allgemeine Verunsicherung dazu geführt unsere Art des Wirtschaftens infrage zu stellen und gleichzeitig Besserung zu geloben. Innerhalb kürzester Zeit haben sich etliche Initiativen von Unternehmen und NGOs gebildet, die die Krise zu einem Neustart nutzen wollen und entsprechende Regelungen von der Politik eingefordert haben. Jetzt, wo sich die erste Welle der Pandemie abflacht und Wirtschaft und Gesellschaft wieder den normalen Alltag suchen, wird sich die Ernsthaftigkeit der Absichtserklärungen zeigen.

Gravierenden Verschiebungen in Gesellschaft und Wirtschaft

Zukunftsforscher Matthias Horx glaubt nicht an eine Rückkehr zur alten Normalität. Gemeinsam mit anderen Fachexperten hat er die Auswirkungen der Krise analysiert und ist zu dem Schluss gekommen: Die Welt wird nach Corona eine völlig andere sein. Dabei geht es ihm nicht so sehr um neue Verhaltensregeln im Umgang miteinander, sondern es geht ihm um die eventuell gravierenden Verschiebungen in Gesellschaft und Wirtschaft. Es geht ihm um die Verschiebungen in den Märkten, in den Business-Modellen und Wertschöpfungen. In den Firmenkulturen, den Denk- und Fühlweisen, den Codes der Gesellschaft. „Die Coronakrise bedeutet einen grundlegenden Wandel“, so Horx. „Sie betrifft alle Lebensbereiche und verschiebt – teilweise subtil, teilweise knallhart – die Zusammenhänge und Machtverhältnisse zwischen Gesellschaft und Wirtschaft, zwischen Politik und Kultur. Und sie ordnet Systeme, auch große Systeme wie die Globalisierung, neu. So entsteht eine neue Weltordnung, eine Ära, die man provisorisch die Post-Corona-Ära nennen kann.“

Das bedeutet für Unternehmen und Konzerne aus der Krise zu lernen und die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Entscheidung „Weiter so“ scheint dabei direkt aufs Abstellgleis zu führen. Die Pandemie hat die Bedeutung und Wichtigkeit stabiler wirtschaftlicher Prozesse in Unternehmen und Gesellschaften verdeutlicht. Aber sie verändert auch das Selbstbild der Gesellschaften, vor allem von Industriegesellschaften, die sich in der Vergangenheit für unverwundbar hielten. Die Corona-Pandemie führt zu Verunsicherung bei Mitarbeitern, Investoren und Kunden mit deutlichen Auswirkungen auf die Unternehmen. Wirtschaft lässt sich eben nicht einfach ab- und wieder anschalten. Jeder Motor braucht einen Schmierstoff, sonst läuft er nicht rund, stottert oder stellt seinen Betrieb ganz ein. Der Schmierstoff der Wirtschaft ist Vertrauen. Und das Vertrauen in Unternehmen und die Wirtschaft als Ganzes wird darüber mitentscheiden, wie die Welt nach der Pandemie aussieht.

Unternehmen müssen die Sinn-Frage stellen

Das bringt Unternehmen in eine neue Rolle. Sie müssen als gute Corporate Citizens Solidarität mit der Gesellschaft zeigen, sie müssen aber auch über die Kraft und Leistungsfähigkeit verfügen den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen und sie sollen Lösungen für gesellschaftliche Fragen anbieten. Wie schnell Unternehmen dabei in eine Falle tappen können, hat Adidas mit seiner Ankündigung, vorläufig die Mietzahlungen für seine Ladenlokale einzustellen, gezeigt. Hintergründe und Details, die zu dieser Entscheidung geführt haben, spielten keine Rolle. Das Urteil über unmoralisches nicht gesellschaftsfähiges Verhalten war sofort gefällt. Unternehmen können sich also nicht nur auf Milton Friedmans „The business of business is business“ beziehen.

Unternehmen müssen die Sinn-Frage stellen, forderte der Unternehmens-Philosoph Dominic Veken in seinem Buch „Der Sinn des Unternehmens“ und wollte damit den Blick über den reinen Unternehmenszweck hinaus öffnen. Nach Vekens Auffassung müssen sich Unternehmen mit Sinn-Fragen beschäftigen, wenn sie langfristig überleben wollen. Unternehmen brauchen eine klare Haltung. Doch davor scheinen sich zahlreiche Unternehmen wegzuducken und halten sich lieber alle Optionen offen. Das ist kein Weg für die Zukunft, ist sich Veken sicher und hat damit ein Prinzip beschrieben wie es schon seit einiger Zeit zu beobachten ist, das Prinzip Purpose.

Eine Unique Purpose Proposition entwickeln

Studien zeigen immer wieder, dass Konsumenten von Unternehmen und Marken einen aktiven Beitrag zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme erwarten, aber auch eine klare Haltung und Position zu gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen. Die Corona-Pandemie wird diese Entwicklung eher verstärken, erwartet der Unternehmensberater Frank Bömers und spricht deshalb sogar vom New Purpose. Aus der altbekannten Unique Selling Proposition (USP) müsse eine Unique Purpose Proposition (UPP) werden, ist Bömers überzeugt. Das ist weit mehr als schöne Worte in Hochglanz-Broschüren. Unternehmen die Purpose nur als Buzzword verstehen und mit schön klingenden PR-Floskeln mögliche Kritiker milde stimmen wollen, werden mit dieser Strategie scheitern. Purpose ist eine Haltung, die sowohl nach innen wie nach außen wirken muss, die Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen überzeugt. Bömers nennt das eine New Purpose Positionierung oder kurz Purposition.

Kritiker halten das häufig für esoterischen Nonsens und erwarten von Unternehmen in erster Linie sichere Arbeitsplätze, Gesetzestreue und hochwertige Produkte oder Dienstleistungen. Das Beispiel Tierwohl verdeutlicht, dass diese Haltung zu kurz greift. Unternehmen können mit Tierwohl werben, wenn sie die gesetzlichen Bestimmungen, oder die eines Labels einhalten. Das hat aber meist gar nichts damit zu tun, was Verbraucher unter Tierwohl verstehen. Purpose verlangt mehr, Purpose verlangt eine überprüfbare transparente Haltung, die Tierwohl lebt und umsetzt und nicht nur damit wirbt. Purpose beeinflusst also auch das Denken und Handeln eines Unternehmens und kann, um im Beispiel zu bleiben, das Tierwohl in der Landwirtschaft tatsächlich verbessern.

Großteil deutscher Unternehmen ist nicht „Purpose Ready“

Purpose braucht also Glaubwürdigkeit. Doch genau damit haben zahlreiche Unternehmen ein Problem. Ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist nicht immer die eines guten Corporate Citizen. Der Purpose Readiness Index der Kommunikationsagentur Globeone aus dem letzten Jahr kam deshalb auch zu einem klaren Urteil: Der Großteil deutscher Unternehmen ist nicht „Purpose Ready“. Das wollte Frank Bömers genauer wissen und hat im Vorfeld der Corona-Krise im Karrierenetzwerk Linkedin eine Umfrage mit dem Titel „Purpose – Status Quo in deutschen Unternehmen“ gestartet. Die 136 eingegangenen Antworten sind zwar nicht repräsentativ, aber sie können einen Einblick geben, was in den Unternehmen unter Purpose verstanden wird.

In 58 Prozent der befragten Unternehmen gibt es bereits ein Purpose Statement und 29,4 Prozent der Unternehmen arbeiten daran. Das ist oft nur ein Statement auf der Website (41,9 %), seltener im CSR-Report (11 %), aber längst nicht gelebte Unternehmenspraxis. Immerhin 33,8 Prozent gaben an, dass es in ihrem Unternehmen derzeit keine Purpose-Aktivitäten gäbe. Jedes 5. Unternehmen veranstaltet regelmäßige Workshops zum Thema und nur in 37 Prozent der Unternehmen gibt es überhaupt innerbetriebliche Purpose-Aktivitäten.

Auf die Frage nach dem Verständnis von Purpose, ist „Sinn“ mit 86,8 Prozent die meistgegebene Antwort. CSR (18,4 %) und Nachhaltigkeit (19,9 %) werden deutlich seltener genannt. Das lenkt etwas von der Schwäche dieses Begriffs ab, der einerseits viel Deutungsspielraum ermöglicht, andererseits oft nur Fragezeichen hinterlässt. Scheint auf jeden Fall etwas Gutes zu sein, das wird auch bei den Antworten zu einer offenen Frage deutlich, die Bömers in seiner Umfrage gestellt hat. Es ging darin um die Vorteile eines Purpose getriebenen Geschäftsmodells. Zu den häufigen Antworten gehört die Bindung der Mitarbeiter und Kunden an das Unternehmen durch ein gemeinsames sinnstiftendes Ziel.

Es geht um das „Big picture“

Sichtbares Zeichen eines unternehmerischen Sinns ist das Purpose Statement. Ist das nicht einfach nur alter Wein in neuen Schläuchen, schließlich sind Mission-Statements für Unternehmen nichts Neues? „Nein“, sagt Frank Bömers. „Ein Purpose Statement ist die Headline über eine gute Geschichte“. Mission Statements sind oftmals nur Marketingprojekte ohne Wirkung ins Unternehmen. Purpose Statements sollten für Bömers das Gegenteil sein. Sie entwickeln sich aus der Geschichte des Unternehmens und binden die Mitarbeiter, aber auch andere Stakeholder, in ihren Entstehungsprozess mit ein. Es geht um das „Big picture“, sagt Bömers.

Ein Purpose Statement zeigt, wofür ein Unternehmen steht, wo es herkommt, wohin es will und es zeigt den Nutzen für die Gesellschaft. Außerdem sollte es einfach und verständlich formuliert sein, um seine Wirkung im und für das Unternehmen entfalten zu können. Damit ein Purpose Statement mehr ist als ein glattgebügelter PR-Claim gehören Authentizität und Transparenz unbedingt dazu. Nur dann wird der Unterschied zwischen Unternehmenszweck und Sinn des Unternehmens deutlich.

Die nächsten Monate und vielleicht sogar Jahre werden zeigen, was Gesellschaft und Wirtschaft tatsächlich aus der Corona-Krise gelernt haben. Unternehmen und ihre Mitarbeiter werden zunehmend unter Druck geraten, werden die wirtschaftlichen Folgen zu spüren bekommen und müssen dennoch einen positiven Weg in die  Zukunft weisen. Wer jetzt den eigenen Profit gegen Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Nutzen stellt, wird sicher nicht als Gewinner aus der Krise hervorgehen. Wer aber in flotten Claims die Weltrettung ankündigt und dann nur Business as usual betreibt wird ebenso wenig zu den Gewinnern gehören. „Gewinner werden die Unternehmen sein, die über ein profitables Geschäftsmodell verfügen, die einen Mehrwert für die Gesellschaft leisten und für die Nachhaltigkeit zum Geschäftsprinzip gehört“, ist Bömers überzeugt. Kurz: Unternehmen mit Sinn.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf csr-reporter.de.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Geldgeschäfte mit Sinn – Grüne Girokonten im Überblick

Geldgeschäfte mit Sinn – Grüne Girokonten im Überblick

Was passiert mit deinem Geld?

Geld, das in den wirtschaftlichen Kreislauf gesteckt wird, hat immer eine Wirkung. Ob eine Bank dem Biobauern die Hoferweiterung finanziert oder sich mit seinen Investmentabteilungen an Börsenspekulationen auf Lebensmittel beteiligt, macht einen erheblichen Unterschied und hat einen großen Impact auf die Gesellschaft. Konsequent nachhaltig zu leben, bedeutet deshalb auch sich mit seinem Geld zu beschäftigen, selbst wenn du meinst: Ich habe nicht viel Geld, was soll ich damit schon bewirken? Denn Banken verwalten das Geld ihrer Kunden, um die Renditen, die sie ihnen versprechen zu erwirtschaften. Und ob diese Renditen durch Windkrafträder oder Kohlekraftwerke verdient werden, entscheidest du mit über die Wahl deiner Bank. Und zwar nur über die Wahl der Bank, denn was die Hausbank mit dem Geld macht, darauf haben die Bankkunden keinen Einfluss. 

In Deutschland gibt es etwa 1.600 Banken und Sparkassen, von denen allerdings nur sehr wenige von sich behaupten können, ein Geldinstitut zu sein, in dem Nachhaltigkeit ein Wesensmerkmal ist. Zwar werden immer mehr grüne Produkte angeboten um die Kunden mit Nachhaltigkeitsanspruch nicht zu verlieren, einer detaillierteren Überprüfung halten diese Angebote allerdings selten stand. Selbst unter den Nachhaltigkeitsbanken herrscht kein einheitliches Bild, wie die regelmäßigen Untersuchungen der Verbraucherzentralen oder der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Facing Finance immer wieder zeigen. Wer beispielsweise konsequent ausschließen will, mit dem eigenen Geld in irgendeiner Weise an der Finanzierung von Kohlekraftwerken beteiligt zu sein, für den wird die Auswahl möglicher Banken sehr übersichtlich. 

Woran kann man eine nachhaltige Bank erkennen?

Das ist gar nicht so einfach, denn es gibt keine einheitlichen Standards, die eine Bank erfüllen muss, um als nachhaltig zu gelten. Auf jeden Fall reicht es nicht aus, wenn die Bank einzelne grüne Produkte wie beispielsweise einen Öko-Sparplan im Angebot hat. Einzelne Produkte geben keine Auskunft darüber, wie die Bank grundsätzlich Nachhaltigkeit in ihren Geschäftsprozessen verankert hat. 

Wenn Du wissen willst, wie nachhaltig deine Hausbank ist, dann kann ein Blick auf die Webseite erste Hinweise liefern. Beispielsweise müsste die Bank ausführlich darüber informieren, ob es Branchen und Industriezweige gibt, in die sie grundsätzlich nicht investiert (das könnte beispielsweise die Waffenindustrie sein). Auf der anderen Seite kann sie Branchen bevorzugen (beispielsweise die biologische Landwirtschaft). Einige Banken haben Selbstverpflichtungen unterschrieben, in denen sie solche Kriterien veröffentlichen. Wem der Klimaschutz am Herzen liegt, kann darin überprüfen, ob die Bank möglicherweise mit klimaschädlichen Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhält. Dazu kann auch ein Nachhaltigkeitsbericht Informationen liefern. Seit 2017 sind die Banken zur Veröffentlichung eines solchen Berichts verpflichtet. 

Für die meisten Bankkunden wird es allerdings sehr schwer sein mit solchen Informationen die Nachhaltigkeitsperformance der Hausbank zu überprüfen. Selbst Nachfragen beim örtlichen Kundenberater werden keinen zufriedenstellenden Einblick gewähren. Deshalb hat die NGO Fair Finance einen Online-Ratgeber (www.fairfinanceguide.de) veröffentlicht, in dem die Nachhaltigkeitsleistung von Banken und Versicherungen anhand von über 280 Kriterien bewertet wird. Ein Blick auf die Webseite schafft schnell Klarheit, denn nur sehr wenige Banken sind nach der Analyse immer noch grün. Zu diesen wenigen grünen Geldinstituten gehören immer die GLS Bank, die Ethikbank und die Triodos Bank, allesamt Vorreiter einer nachhaltigen Finanzwirtschaft. 

Nachhaltige Banken…

…orientieren ihr Kerngeschäft anhand ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeitskriterien.

…berichten offen und transparent über ihr unternehmerisches Handeln.

…haben klare Ausschlusskriterien definiert (Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen, Waffengeschäfte, Umweltverschmutzung, Korruption, Diskriminierung etc.)

Wer mit seinem Girokonto auf Nummer sicher gehen will und seine täglichen Bankgeschäfte nachhaltig betreiben will, sollte sich für eine Bank entscheiden, die in diesem Ranking der Fair Finance Organisation (www.fairfinanceguide.de) gut abschneidet. Übrigens wird dort auch ein Musterschreiben für eine Anfrage bei der eigenen Hausbank angeboten und wie die häufigsten zu erwartenden Antworten zu bewerten sind. 

Die wichtigsten grünen Banken

Wer meint Nachhaltigkeitsbanken sind eine moderne Erscheinung, um auf das gestiegene Umweltbewusstsein der Verbraucher zu reagieren, der irrt. Tatsächlich sind die etablierten Nachhaltigkeitsbanken, auch Grüne Banken oder Ökobanken genannt, schon seit einigen Jahrzehnten erfolgreich am Markt tätig. Hier stelle ich dir die wichtigsten nachhaltigen Geldinstitute vor, die ein grünes Girokonto anbieten: 

GLS Bank

Die Geschichte der GLS Bank beginnt 1974 mitten im Ruhrgebiet. Der Rechtsanwalt Wilhelm Ernst Barkhoff gründet gemeinsam mit Gleichgesinnten die nach eigenen Angaben erste sozial-ökologische Bank der Welt. Mit mehr als 240.000 Kunden und rund 5,6 Milliarden Euro Kundeneinlagen ist sie bis heute die größte Nachhaltigkeitsbank in Deutschland. Neben dem Stammsitz in Bochum werden noch sieben weitere Filialen im gesamten Bundesgebiet unterhalten. Wer ein Konto bei der GLS-Bank eröffnet, kann entscheiden in welchem Bereich sein Geld vorrangig eingesetzt werden soll. Angeboten werden unter anderem die Bereiche Bildung, Ernährung, erneuerbare Energien, wohnen und nachhaltige Wirtschaft. Der jährlich erscheinende Transparenzreport gibt Einblick in welche Projekte die Bank das Geld investiert hat. 

Triodos Bank

Ohne Filialnetz kommt die 1980 in den Niederlanden gegründete Triodos Bank aus. Sie bietet ihren über 700.000 Kunden Bankgeschäfte ausschließlich über Internet und Telefon an. Die Bank ist in fünf europäischen Ländern aktiv, seit 2009 auch in Deutschland, und verwaltet mehr als 17 Milliarden Euro an Kundeneinlagen. Damit liegt die Bank im Nachhaltigkeitsbereich an der Spitze und bezeichnet sich auch selbst als Europas führende sozial-ökologisch orientierte Bank. Die Triodos Bank finanziert ausschließlich Projekte der Realwirtschaft, über die sie in ihrem jährlich erscheinenden Geschäftsbericht transparent Auskunft gibt. 

Ethikbank

Eine etwas andere Geschichte hat die deutlich kleinere Ethikbank, die 2002 als Zweigniederlassung der Volksbank Eisenberg gegründet wurde und sich inzwischen als ethisch-ökologische Direktbank behaupten konnte. Nach welchen Kriterien die Bank ihre Geschäfte betreibt und Kredite vergibt, veröffentlicht sie in ihrem sogenannten Ethik-Kompass. Nach dem Prinzip der gläsernen Bank werden alle vergebenen Kredite veröffentlicht. Neben ihrem normalen Girokonto bietet die Ethikbank ein Guthabenkonto für überschuldete Verbraucher an, um ihnen die normale Abwicklung von Geldgeschäften des Alltags zu ermöglichen. 

Tomorrow-Bank

Auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit setzt das erst 2018 gegründete Fintech-Start-up Tomorrow Bank. Seit dem vergangenen Jahr bietet das junge Unternehmen auch ein mobiles, App-gesteuertes Girokonto an und unterschiedet sich damit von den anderen Nachhaltigkeitsbanken. Die Kundengelder werden bislang für Mikrokredite verwendet und in einen Green-Bond investiert. Ein Wermutstropfen ist die fehlende Banklizenz. Bislang nutzt Tomorrow die Banklizenz der Berliner Solaris Bank, die allerdings nicht als Nachhaltigkeitsbank auftritt, sondern hauptsächlich in junge Technologieunternehmen investiert. Neben dem reinen Girokonto bietet die Tomorrow Bank ein sogenanntes Plus-Konto an, bei dem für 15 Euro pro Monat CO2 Kompensationsprojekte finanziert werden.  

Nachteile von Nachhaltigkeitsbanken

Einer der wesentlichsten Kritikpunkte an Nachhaltigkeitsbanken ist gleichzeitig ihr besonderes „grünes“ Alleinstellungsmerkmal. Durch den Ausschluss von ökonomisch sehr erfolgreichen Branchen verzichten Nachhaltigkeitsbanken auf den maximalen Profit. Doch genau das ist ihr eigentliches Ziel. Sie wollen mit ihrem Geschäftsmodell zu einer ökologischeren und gerechteren Welt beitragen. Deshalb fallen die Kosten und Gebühren unter Umständen etwas höher und die Zinsen etwas niedriger aus. In der aktuellen Niedrigzinsphase mit steigenden Bankgebühren fällt dies allerdings kaum noch ins Gewicht. Vielmehr scheinen die Nachhaltigkeitsbanken von ihrem Geschäftsmodell zu profitieren. Auch die Kritik an der mangelnden Verbreitung hat inzwischen durch Online- und Mobil-Banking kaum noch Gewicht. Weil die meisten Nachhaltigkeitsbanken zudem genossenschaftlich organisiert sind und damit dem genossenschaftlichen Bankenverband angehören, können sie das gesamte Netz an Bankautomaten mitnutzen. 

Ein immer wieder auftauchender Kritikpunkt ist die Liquiditätsreserve der Banken. So sind die GLS-Bank und die Ethikbank als Genossenschaftsbanken verpflichtet, ihre Liquiditätsreserve bei der nicht nachhaltigen DZ Bank vorzuhalten. Zwar versuchen die Banken Einfluss zu nehmen und das Nachhaltigkeitsengagement der DZ-Bank zu verbessern. Von harten Nachhaltigkeitskriterien ist die DZ-Bank allerdings noch weit entfernt.

Noch mehr Banken

Neben den vier genannten Nachhaltigkeitsbanken gibt es weitere Geldinstitute mit mehr oder weniger nachhaltiger Ausrichtung oder einem eingeschränkten Angebot grüner Produkte. 

Umweltbank

Dazu gehört beispielsweise die Umweltbank, die zweifelslos zu den Pionieren des Nachhaltigkeitsbankings zählt, aber nicht über ein Girokonto verfügt. Mit dem UmweltFlexkonto bietet das Nürnberger Geldinstitut aber ein grünes Tagesgeldkonto auf Guthabenbasis. Die 1994 gegründete Umweltbank ist besonders stark bei Finanzierungsprojekten zur Förderung der erneuerbaren Energien. 

DKB Bank

Im Spannungsfeld zwischen regulären Geschäftsbanken und Nachhaltigkeitsbanken bewegt sich die DKB Bank. Durch eine zunehmende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien und der Erweiterung des Produktangebots um grüne Produkte, hat sich die DKB Bank inzwischen einen Namen als grüne Alternative gemacht. Vor allem mit ihrem Green & Social Bond Programm konnte die Bank in den vergangenen Jahren auch immer mehr grüne Anleger überzeugen. 

Kirchliche Banken

Zudem gibt es Banken aus dem kirchlichen Umfeld, die teilweise strenge ethische Maßstäbe anlegen, beispielsweise die KD Bank, die PAX Bank oder die Steyler Bank. Girokonten bieten diese Banken, sofern überhaupt vorhanden, oft nur konfessionsgebunden oder Bediensteten der Kirchen an. Zudem vernachlässigen sie teilweise noch die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit und verfolgen keine konsequente Klimastrategie, sondern sind in Kohle- und Atomkraftwerke investiert. 

Übersicht grüne Girokonten

Grüne Banken

Wie kann ich zu einer grünen Bank wechseln?

Wenn du von den Angeboten der Nachhaltigkeitsbanken überzeugt bist, dann musst du nur noch den nächsten Schritt machen und ein Konto eröffnen. Viele scheuen sich vor diesem Schritt und festigen damit die bestehenden Strukturen im Finanzsektor. Dabei ist der Schritt ganz einfach, denn seit 2016 soll das sogenannte Zahlungskontengesetz den Wechsel des Kontos erleichtern. Banken unterstützen nun den Bankkunden beim Wechsel und kümmern sich um einen großen Teil der Formalitäten. Die neue Nachhaltigkeitsbank wird von dir ermächtigt, dein Konto bei der alten Bank aufzulösen und die Daten für Daueraufträge und Lastschriftmandate zu übertragen. Dafür werden alle notwendigen Schritte übernommen und sogar Dritte, wie beispielsweise dein Stromanbieter über den Wechsel informiert. Für ein paar Wochen laufen zwei Girokonten parallel und wenn alles reibungslos funktioniert, wird das alte Konto aufgelöst und fortan wirst du mit deinem Girokonto einen Beitrag leisten für einen nachhaltigere Welt.

Diesen Beitrag habe ich für einen Blog zum Thema Grüne Geldanlage geschrieben

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Herausforderung Wesentlichkeit

Herausforderung Wesentlichkeit

Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, scheint auf den ersten Blick eine machbare Aufgabe. Tatsächlich bedeutet diese Fokussierung auch auslassen, weglassen können. Spätestens mit der Einführung der GRI G4-Richtlinie rückte das Prinzip der Wesentlichkeit in den Fokus der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dabei spielte es auch schon in der vorherigen Version eine Rolle und ist nicht zuletzt auch aus der Finanzberichterstattung bekannt. Doch mit G4 wurde der Anspruch zur Vollständigkeit aufgeweicht bzw. neu definiert und die Konzentration auf wesentliche Aspekte trat in den Mittelpunkt. Das hatte durchaus auch praktische Gründe, denn Berichte, die alle Aspekte und Kennzahlen abdecken wollten, wurden zunehmend umfangreicher. In diesem Spannungsfeld zwischen Vollständigkeit und Wesentlichkeit bewegt sich nun die Berichterstattung und das Nachhaltigkeitsmanagement, das hat sich auch durch die inzwischen anzuwendenden GRI-Standards nicht geändert. Zudem setzen auch andere Standards das Prinzip der Wesentlichkeit in den Fokus.

Doch mit dieser Fokussierung begann auch eine Unsicherheit bei zahlreichen berichtenden Unternehmen. Zu den Kernfragen gehörte: Wie sollen die wesentlichen Aspekte ermittelt werden und wie wirkt sich deren Ermittlung auf die Nachhaltigkeitsstrategie aus? In einer aktuellen Studie der Hamburger Beratungsagentur Kirchhoff Consult, zeigte sich, dass bereits 92 Prozent der untersuchten DAX 160-Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen. Davon haben 57 Prozent ihre Analyse auch in Form einer Wesentlichkeitsmatrix in der Berichterstattung dargestellt. Spannend die Frage, wo die Unternehmen ihre wesentlichen Auswirkungen verortet haben. Tatsächlich haben 84 Prozent der Unternehmen mit einer Wesentlichkeitsmatrix, die „Bedeutung für das Unternehmen“ in der Matrix verortet während bei 14 Prozent die „Auswirkungen des Unternehmens“ verortet werden. Woran liegt das? Immerhin nutzen 85 Prozent der Unternehmen das Rahmenwerk der GRI.

Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft

Der Wesentlichkeitsgrundsatz wurde beim Übergang von den G4-Richtlinien zu den GRI-Standards nicht geändert. Einige Schlüsselbegriffe zur Definition der Wesentlichkeit wurden jedoch geklärt. In den GRI-Standards bezieht sich der Begriff „Wirkung“ auf die Auswirkungen, die ein Unternehmen auf die Wirtschaft, die Umwelt und/oder die Gesellschaft hat, was wiederum auf ihren (positiven oder negativen) Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung hinweisen kann. Es bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Auswirkungen auf das Unternehmen, beispielsweise durch Reputationsrisiken. So muss ein Unternehmen wesentliche Themen identifizieren, indem es sowohl die Bedeutung ihrer wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen, als auch ihren substanziellen Einfluss auf die Bewertungen und Entscheidungen von Interessengruppen berücksichtigt. Es ist diese zweite Dimension, die Berücksichtigung der Stakeholder-Perspektive, die GRI explizit verlangt. Ein Thema kann demnach wesentlich sein, auch wenn es nur für eine Dimension des Wesentlichkeitsprinzips von Bedeutung ist. Mit diesen Klarstellungen möchte die in Amsterdam ansässige Global Reporting Initiative sicherstellen, dass ein Unternehmen bei der Festlegung wesentlicher Themen das vollständige Bild seiner wesentlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Umwelt und die Gesellschaft nach außen betrachtet – nicht nur solche, die unmittelbaren Auswirkungen aus unternehmerischer Sicht haben.

Dies sei eine der Herausforderungen, die man bei zahlreichen Berichterstattern sehen würde, räumt man in Amsterdam ein. Nicht selten würden sich die Unternehmen nur auf die Auswirkungen konzentrieren, die sich auf die Organisation selbst auswirken könnten. „Nach unserer Erfahrung besteht eine weitere Herausforderung darin, die relevanten Berichtsinhalte zu definieren.“ GRI erwartet von einem Nachhaltigkeitsbericht erkennbare Schwerpunkte, in denen sich die Bedeutung eines Themas widerspiegelt. Genau diese Fokussierung ist auch notwendig, um im Nachhaltigkeitsmanagement die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Bei den 160 DAX-Unternehmen, die von Kirchhoff Consult analysiert wurden, führte die Wesentlichkeitsanalyse zu durchschnittlich 15 als wesentlich identifizierten Themen. Allerdings reicht die Spanne dabei von drei bis zu 43 wesentlichen Themen.

Verschiedene Rahmenwerke setzen unterschiedliche Schwerpunkte

Schon in den vergangenen Jahren haben Studien gezeigt, dass dabei vor allem unterschiedliche Definitionen von Wesentlichkeit und die unterschiedlichen Analyseprozesse eine Rolle spielen. „Im Grunde gibt es drei Anforderungsdimensionen: die Anforderungen der Stakeholder, die Bedeutung für das Unternehmen (unter anderem durch Reputation oder regulatorischen Druck) und die Belastungen für Umwelt und Gesellschaft (die sich dann ihrerseits die Stakeholder-Meinung und die Bedeutung für das Unternehmen beeinflussen)“, sagt Moritz Nill, der das Berliner Büro der Management-Beratung Systain Consulting leitet. „Zudem setzen die verschiedenen Rahmenwerke unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich dieser Dimensionen: Eine Berichterstattung im Lagebericht legt einen Fokus auf den dritten Aspekt, wohingegen GRI sehr stark die Stakeholder betont. Da an eine Nachhaltigkeitsabteilung Anforderungen aus unterschiedlichen Richtungen herangetragen werden, sollte aus unserer Sicht eine Wesentlichkeitsanalyse alle Aspekte umfassen. Eine Auswertung und davon abgeleitete Priorisierung können dann entsprechend der jeweiligen Adressaten erfolgen.“

Doch in der Realität gelingt die Identifikation wesentlicher Themen nicht jedem Unternehmen, zeigt die Erfahrung der Systain-Berater. Nicht immer würden Wesentlichkeitsanalysen klare und belastbare Erkenntnisse liefern. „Nachhaltigkeit betrifft sehr viele unterschiedliche Aspekte (Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Gefährdung von Menschenrechten, …), die oft auch untereinander verwoben sind. Unternehmen sind darüber hinaus höchst komplex: wichtige Vorprodukte stammen von Tausenden von Lieferanten aus langen, verzweigten und weltumspannenden Lieferketten“, beschreibt Nill die Herausforderung für Unternehmen.

Dieser Text wurde zuerst im CSR-Magazin veröffentlicht.

Wesentlichkeit CSR
Wesentlichkeit CSR
Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Das Gründer-Gen – Mythos oder Realität?

Das Gründer-Gen – Mythos oder Realität?

Unternehmen entstehen im Kopf

Wenn man sich mit der Entwicklung und Geschichte von Unternehmen beschäftigt, dann stößt man immer wieder auf äußerst schwierige Umstände, in denen Unternehmen gegründet wurden. Nicht selten haben heute erfolgreiche Unternehmer bei ihren ersten Schritten eine Bauchlandung hingelegt. Aber sie haben an ihren Plan geglaubt oder schnell neue Chancen gesucht. Erfolgreiche Unternehmen entstehen im Kopf, ist Wirtschaftsprofessor und Gründungsexperte Günther Faltin überzeugt. Natürlich gehört auch noch Kapital, Know-how und ein glückliches Händchen dazu. Dennoch scheint es Menschen zu geben, die erst in der Krise zur Hochform auflaufen und ihre Ziele verfolgen, wenn andere längst aufgegeben hätten.

Verantwortungsübernahme und Risikobereitschaft

Ein Gründer-Gen im Sinne einer in der menschlichen DNA angelegten Erbinformation gibt es nicht. Aber es gibt persönliche Voraussetzungen, die eine Existenzgründung und Unternehmertum begünstigen. Zugegeben, Menschen, die großen Wert auf Sicherheit und Regelmäßigkeit legen, sollten nicht unbedingt eine berufliche Zukunft als Unternehmer anpeilen. Eine Portion Risikofreude und Kreativität sollte schon vorhanden sein. Und dafür sind vor allem das soziale Umfeld und die Erziehung verantwortlich. Wer schon in jungen Jahren souverän mit Verantwortung und Risiko umgehen kann, scheint eher zum Unternehmer prädestiniert zu sein. Das haben inzwischen mehrere wissenschaftliche Studien belegt, auch wenn diese Form von Untersuchungen mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Deshalb hat es sich in der Praxis bewährt, von einem Mindset zu sprechen.

Entrepreneur versus Existenzgründer

Damit lassen sich dann auch besser die Voraussetzungen beschreiben, die für alle Unternehmer gelten können. Denn dabei gibt es einen großen Unterschied. Die Rede ist von Unternehmern und Entrepreneuren. Auf der großen Bühne sind es meist die Entrepreneure, die große Ideen haben, disruptive Strategien verfolgen und jede Menge Kapital benötigen. Auf der anderen Seite sind es die kleinen Einzelhändler, Handwerker und Dienstleistungsbetriebe, die nach sorgfältiger Recherche und Abwägung einen Geschäftsplan für ein erfolgreiches Business auf die Beine stellen. Beide sind Existenzgründer bzw. Unternehmer und beide brauchen ein paar grundlegende Eigenschaften.

Zweifeln gehört dazu

Die erste Eigenschaft ist Mut, denn eine Existenzgründung bedeutet in jedem Fall, seine persönliche Komfortzone zu verlassen. Den Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit oder sogar nach einem eigenen Unternehmen haben viele Menschen. Den tatsächlichen Schritt ins Risiko wagen aber nur wenige. Die meisten Pläne, ein Unternehmen zu gründen, bleiben Gedankenspiele. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn Existenzgründer Zweifel plagen. Es ist die Angst vor dem Unbekannten, die große Sorge mit seinem Vorhaben zu scheitern, die Frage nach den eigenen Fähigkeiten. Das kennen alle Unternehmer, auch jene, die ihr Vorhaben erfolgreich umgesetzt haben. Zweifel sind grundsätzlich nicht schlecht, allerdings sollten sie zu einer sorgfältigen Abwägung führen und nicht in eine lähmende Angst umschlagen. Vielmehr können und sollten Zweifel die Punkte aufdecken, die möglicherweise noch mehr Aufmerksamkeit erfordern. Wer sich beispielsweise vor den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen sorgt, kann diese durch Coaching oder Weiterbildung beseitigen oder aber einen Steuerberater beauftragen. Ganz ähnlich lassen sich auch andere Aspekte betrachten. Auf jeden Fall sollte eine positive Gesamteinschätzung des Vorhabens vorliegen, damit man seine Zweifel zur Seite schieben kann und erfolgreich die nächsten Schritte geht.

Wie kann ich feststellen, ob ich zum Existenzgründer geeignet bin?

Wie oben genannt, gehört eine Portion Risikobereitschaft dazu. Die sichere Gehaltsüberweisung am Monatsende und der pünktliche Feierabend gehören mit dem Schritt zum Unternehmer der Vergangenheit an. Kommt man an dieser Stelle schon ins Grübeln und ist nicht bereit, seine Komfortzone zu verlassen, steht die Unternehmensgründung schon auf wackeligen Füßen. Unternehmerisches Denken erfordert immer eine gewisse Risikobereitschaft, den Mut und die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, auch unter unsicheren Rahmenbedingungen und nicht zuletzt eine strategische Denkweise, die dabei hilft, definierte Ziele auch zu erreichen. Darüber hinaus müssen auch die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört etwa die „volle Geschäftsfähigkeit“, die in Deutschland mit dem 18. Lebensjahr erreicht wird. Je nach Gewerbe müssen eventuell noch Fähigkeitsnachweise, Zulassungen oder behördliche Genehmigungen vorliegen. Wichtig ist auch die Rückendeckung des familiären und privaten Umfelds.

Sind diese Punkte erfüllt und das Geschäftskonzept wurde von Banken oder Gründungsberatern als tragfähig eingeschätzt, sollte man trotzdem noch ein paar Fragen beantworten können.

Diese Fragen sollten sich Existenzgründer stellen

Kann ich ein Unternehmen gründen?

Erfülle ich die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen, um ein Unternehmen zu gründen und zu führen. Dabei sollten nicht nur notwendige formale Aspekte berücksichtigt werden, sondern beispielsweise auch die Frage nach Branchenkenntnissen oder der Zugang zu relevanten Marktteilnehmern. Die Praxis zeigt das erfahrene Gründer eher dazu in der Lage sind, ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Will ich ein Unternehmen gründen?

Bin ich bereit, den hohen zeitlichen und persönlichen Einsatz zu leisten, den eine Unternehmensgründung mit sich bringt, ist die zentrale Frage in diesem Bereich. Eine Existenzgründung benötigt vor allem Ausdauer und Geduld. Im Sport würde man von der Langdistanz sprechen, Sprinter sind dabei eher chancenlos. Wichtig ist es, diese Frage sehr ehrlich zu beantworten und nicht aus einer Laune heraus.

Werde ich ein Unternehmen gründen?

Lassen sich die beiden ersten Fragen klar positiv beantworten, steht der nächste und schwierigste Schritt an. In Träumen und Plänen sind schon viele Unternehmen entstanden, beim Gewerbeamt sind es dagegen deutlich weniger. Klar, zunächst muss ein tragfähiges Geschäftskonzept vorliegen. Dann folgen im nächsten Schritt der Businessplan und die Finanzierung. Sind jetzt noch Fragen offen und es fehlt der objektive Blick auf die Planung, lohnt sich ein Besuch beim Gründungsberater. Zusammen lassen sich dann die Details klären und dem letzten mutigen Schritt zum eigenen Unternehmen steht nichts mehr im Wege.

Dieser Blogpost ist zuerst auf der Webseite meine-gründungsberatung.de erschienen.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Nach der Krise ist vor der Krise – Was kann der Wirtschaftsjournalismus aus der Finanzkrise lernen?

Nach der Krise ist vor der Krise – Was kann der Wirtschaftsjournalismus aus der Finanzkrise lernen?

Wann hat diese Krise begonnen und wann wird sie beendet sein? Je nach Betrachtungsweise gibt es dafür unterschiedliche Antworten. Wirtschaftskrisen entstehen nicht von heute auf morgen, meist deuten sie sich an, gibt es Anzeichen für einen bevorstehenden Abschwung. Auch die aktuelle Krise machte früh auf sich aufmerksam, nur erkannt wurde sie nicht immer. Oder die Mahner wurden als unverbesserliche Pessimisten abgetan und nicht gehört, wenn auch die tatsächlichen Ausmaße in dieser Ausprägung selbst von Fachleuten und Insidern nicht vorhergesehen wurden. Dies galt bereits in ähnlicher Weise, als die New-Economy-Blase am Anfang dieses Jahrzehnts platzte.

Während in den USA die ersten Hypothekenbanken ins Trudeln gerieten, wurde bei uns von anhaltendem Aufschwung geredet, wurde der nahe Ausgleich der Staatsverschuldung proklamiert, war die amerikanische Subprime-Krise weit weg und maximal ein Problem der amerikanischen Regierung. Dann kam der 15.09.2008, ein Tag, der sich seinen Platz in der internationalen Wirtschaftsgeschichte gesichert hat. Die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers verkündete ihre Insolvenz. Ab diesem Moment war sie da, für jeden sichtbar, die globale Finanzkrise, ab diesem Moment verstummten auch die letzten Optimisten.

Die Stunde der Wirtschaftsjournalisten

Jetzt überschlugen sich die Meldungen, war schnelles und wirksames Handeln gefragt. Jetzt schlug auch die Stunde der Wirtschaftsjournalisten. Manche noch zögerlich: der ARD beispielsweise war dieses Thema keinen „Brennpunkt“ im Anschluss an die „Tagesschau“ wert, wie er sonst bei mittleren und großen Katastrophen gesendet wird. Trotzdem wurden in den Redaktionen der großen Zeitungen Teams zusammengestellt, die sich ausschließlich mit der Krise beschäftigten; die Wirtschaftsredaktionen mussten Titelseiten füllen, Dossiers erstellen und kommentieren. Das sollte auch erst mal so bleiben. Mit der Hypo Real Estate geriet ein Schwergewicht der deutschen Bankenlandschaft in Schieflage und musste mit Milliarden von Steuergeldern gerettet werden, bevor sie schließlich verstaatlicht wurde. Wirtschaftsthemen, wie sie vorher nicht vorstellbar waren. Es dauerte nur wenige Monate, dann folgte den Banken die „reale“ Wirtschaft, wurde aus der Finanzkrise eine Weltwirtschaftskrise.

Schnell wurde nach den Verantwortlichen gesucht. In einem ersten Reflex standen Banker und Topmanager am Pranger, gefolgt von der „menschlichen Gier“ und dem „Kapitalismus“ an sich. Der Frage nach den Schuldigen folgte die Frage nach der Vorhersehbarkeit: Warum haben Aufsicht, Ratingagenturen und Wirtschaftsforscher diese Krise nicht frühzeitig erkannt und vor ihr gewarnt? Diese Frage wurde schnell auch an die Wirtschaftsjournalisten gestellt.

Hat der Wirtschaftsjournalismus versagt?

Anlässlich der Verleihung des „Otto-Brenner-Preis 2008“ gab der ehemalige Intendant des WDR, Fritz Pleitgen, eine klare Antwort: „Es ist ein kapitales Versagen unseres Berufsstandes, Entwicklungen wie die gegenwärtige Finanzkrise nicht aufgespürt zu haben.“ Von Versagen spricht auch Wolfgang Kaden. Der ehemalige Chefredakteur des „Manager Magazin“ sagte in einem Interview mit dem „Wirtschaftsjournalist“: „Es haben viele versagt. Banker, Politiker, vor allem die amerikanischen Aufseher, Wirtschaftsprüfer und die Journalisten eben auch.“ Allerdings schränkt Kaden das Versagen des Wirtschaftsjournalismus ein: „Er hat im Vorfeld versagt und später, als die Krise evident war, exzellente Arbeit geleistet.“ „Schließlich“, so Kaden  weiter, „handelt es sich um komplizierte Sachverhalte, in die auch Finanzjournalisten sich einarbeiten müssen. Das Ergebnis war leserfreundlich, aktuell, Aufklärungsarbeit im besten Sinn. Viele Redakteure haben bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet.“ Diesem Urteil schließt sich Altkanzler Helmut Schmidt an. Auf der diesjährigen Tagung des Berufsstands, dem „Tag des Wirtschaftsjournalismus“ in Köln, attestierte er eine ordentliche Berichterstattung, hielt allerdings die Kommentierung für zu vorsichtig. Sein Fazit: „Der deutsche Wirtschaftsjournalismus macht es dem Leser nicht leicht, sich ein eigenes Urteil zu bilden.“

Natürlich gibt es nicht „den“ Wirtschaftsjournalismus und entsprechend nicht „den“ Wirtschaftsjournalisten. Während einzelne, insbesondere Fachmedien, frühzeitig die möglichen Auswirkungen des amerikanischen Immobilien-Booms erkannten und auch publizierten, kam die auftauchende Krise in den Publikumsmedien eher nicht vor und ging damit an weiten Teilen der Bevölkerung vorbei. In manchen Redaktionen, vor allem in den Fernsehanstalten, scheut man sich nicht, die fehlende Expertise zuzugeben. Die Analyse der Krise kam dadurch oft zu kurz, im Vordergrund standen Ratgeberbeiträge und natürlich die aktuellen Nachrichten.

Dramatische Formulierungen führten zu größerer Verunsicherung

Die teilweise dramatischen Entwicklungen an den Finanzmärkten und die einsetzende Berichterstattung mit ebenso dramatischen Formulierungen führten dann auch eher zu größerer Verunsicherung als zu weiterer Aufklärung. Wochenlang bestimmten Bankenpleiten, gigantische Rettungsmaßnahmen, Börsenturbulenzen und die „wahrscheinlich schlimmste Wirtschaftskrise seit den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts“ die Nachrichten. Dieser Umstand ist allerdings sicherlich nicht allein dem Journalismus anzulasten. Politiker, Forschungsinstitute und Experten überboten sich in ihren düsteren Vorhersagen frei nach dem Motto „only bad news are good news“. Die folgerichtige Reaktion der Verbraucher, „Ist mein Geld noch sicher?“, bestimmte demzufolge auch die weitere Berichterstattung. Den Medien wurde von vielen Seiten „Zurückhaltung“ attestiert, die Bankkunden sollten schließlich ihr Vertrauen nicht verlieren. Die Sorge war groß durch eine zu drastische Berichterstattung die Sparer mit der festen Absicht, ihre Ersparnisse zukünftig lieber unter dem Kopfkissen zu horten, an den Bankschalter zu treiben. Eine Gratwanderung; schließlich sollte die aktuelle Entwicklung auch nicht beschönigt werden. „Dabei wäre es an bestimmten Tagen der richtige Rat gewesen: Nimm dein Geld mit nach Hause“, zeigt Roland Tichy, Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, das Dilemma auf: „Es ist ein Paradoxon, dass die korrekte Berichterstattung genau das ausgelöst hätte, vor dem zu warnen ihre Aufgabe ist“. Zur Entspannung trugen letztlich eher Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück bei, als sie vor laufenden Kameras die Sicherheit der Spareinlagen durch den Staat garantierten. Bei welcher Sparanlage die Konsumenten auch in Zukunft ruhig schlafen können und bei welchen Sparformen Vorsicht angebracht ist, war sicherlich für viele Leser eine neue Auseinandersetzung mit ihrem Geld. Erstmalig wurden Begriffe wie Einlagensicherung oder Emittentenrisiko für viele verständlich, aber auch kritisch erläutert. Der Trend zum Nutzwertjournalismus und zur Personalisierung hielt somit in der Krise weiter an. Es wurden nicht nur Ratgeberseiten mit Tipps für „den richtigen Weg durch die Krise“ gefüllt, sondern auch reihenweise Geschichten von Geschädigten, beispielsweise der Lehman-Pleite oder der isländischen Kaupthing-Bank, publiziert. Daran lässt sich auch das umfangreiche Spektrum des Wirtschaftsjournalismus aufzeigen: Neben den Spezialisten in den Wirtschaftsmedien, Fachpublikationen und den überregionalen Tageszeitungen wirken die Allrounder in den Publikumsmedien sowie in immer größerer Zahl die sogenannten Nutzwertjournalisten mit ihrem verbraucherorientierten Ansatz. Wirtschaftsjournalismus findet also im Spannungsfeld zwischen Wächterfunktion und Dienstleistung, zwischen volks- und betriebswirtschaftlicher Analyse und ratgeberorientierter Berichterstattung statt. Hinzu kommt die Spezies der Finanzjournalisten mit ihrer Expertise des internationalen Börsenhandels. Ansprüche, Arbeitsweise und Leserschaft der Wirtschaftsjournalisten sind demnach so unterschiedlich wie ihre Aufgabengebiete. Zusätzlich gibt es durch die Krise noch verstärkt viele Berührungspunkte mit anderen Ressorts, – insbesondere dem Politischen. Dies allerdings nicht immer ohne Spannung in den Redaktionen, wenn Wirtschaftsthemen verstärkt auf die Titelseiten drängen. Selbst beim „Spiegel“ gehören Wirtschaftsthemen auf dem Titel inzwischen eher zur Regel als zur Ausnahme, und das mit Erfolg. Die großen Titelthemen über die Krise räumen nicht nur Journalistenpreise ab, sondern sind außerdem am Kiosk erfolgreich.

Aufklärende Berichterstattung im Vorfeld?

Warum hat es diese erläuternde, aufklärende Berichterstattung nicht bereits im Vorfeld gegeben? Die Gründe mögen vielfältig sein, ein entscheidender Aspekt ist der Glaube an die Heilkräfte des wirtschaftlichen und politischen Systems. Ein Glaube, wie er in vielen Wirtschaftsredaktionen vorherrscht. Eine Zeit, in der sich eine Bank nach der anderen vom Markt verabschiedet, schien unvorstellbar.

Greg Ip, der US-Wirtschaftskorrespondent des „Economist“ sieht die ersten kritischen Berichte über den amerikanischen Immobilienmarkt bereits im Jahre 2003. Damals berichtete der „Economist“ in einer Titelgeschichte über die Entwicklung der Immobilienpreise in den USA. Die Namen der amerikanischen Immobilienfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae tauchten bereits auf. Die Preise stiegen weiter zusammen mit der Schwierigkeit, mit kritischen Aussagen durchzudringen. „Warnungen sind nicht beweisbare Vorhersagen“, so Greg Ip, „wenn sie zu oft kommen, aber nicht kurze Zeit später eintreten, dann werden sie nicht mehr gehört.“ 2007 nahmen die Probleme von Freddie Mac und Fannie Mae weiter zu und wurden langsam zum Thema in den deutschen Wirtschaftsmedien. Zwei bislang wenig bekannte Namen, die eher an bunte Kaufhausketten erinnern als an solide Finanzunternehmen. Mit der Schieflage der US-Investmentbank Bear Stearns verschärfte sich die amerikanische Krise. Die amerikanische Notenbank musste eingreifen, um das Überleben zu sichern. Ein erstes deutliches Anzeichen für die aufkeimende Krise, die ihren vorläufigen Höhepunkt dann durch die Pleite von Lehman Brothers erreichte. Bis zu diesem Tag wurde das Ausmaß einer möglichen globalen Finanzkrise unterschätzt, darin scheinen sich Wirtschaftsjournalisten einig zu sein. Bei Ursachen, Gründen und Schlussfolgerungen teilen sich dann wieder die Meinungen.

Für den „Economist“-Korrespondenten Greg Ip stellt sich bereits die Frage nach der nächsten Krise. „Derzeit wird viel und gut über die Krise berichtet“, so Ip, „ich mache mir aber Sorgen, ob wir die Reaktionen auf die Krise, die ausufernden Konjunkturprogramme ausreichend hinterfragen.“ Diese Gefahr sieht auch der Hamburger Medienprofessor Siegfried Weischenberg. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagt er: „Ich sehe das Problem, dass der deutsche Wirtschaftsjournalismus alles, was jetzt in der Krise an Ideen aus der Politik kommt, vorschnell absegnet. Nach dem Motto: Der Staat wird es schon richten.“

Die verbraucherorientierte Berichterstattung wird weiter zunehmen.

„Fakten, Fakten, Fakten – und immer an die Leser denken“, war der bekannte Slogan des Wochenmagazins „Focus“. Was aber erwartet der Leser? Orientierung, Aufklärung, Hintergründe sind Anforderungen, wie sie an alle Medien gestellt werden, selbstverständlich Rezipienten orientiert. Die Leser des „Handelsblatt“ erwarten andere Analysen als die Leser einer regionalen Tageszeitung. Die Masse der Bevölkerung wird aber über die Publikumsmedien erreicht. Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Allgemeinbildung in der Bevölkerung nicht besonders ausgeprägt, wie zahlreiche Studien belegen. Wie gegenwärtig „systemrelevante“ Unternehmen mit riesigen Milliardenbeträgen gerettet und Banker zugleich mit Millionenbonifikationen belohnt werden, ist kaum noch zu vermitteln und führt zu Verärgerung und Verunsicherung. Orientierung finden für die eigenen finanziellen Entscheidungen wird in Zeiten, in denen Banken ums Überleben kämpfen und das ganze System der Finanzberatung am Pranger steht, für die meisten Konsumenten noch schwerer. Hilfe aus der Zeitung verspricht der Nutzwertjournalismus. Eine heikle Gratwanderung für Journalisten, von denen Rat erwartet wird, die aber kaum konkrete Ratschläge nennen dürfen. Auf dem diesjährigen „Tag des Wirtschaftsjournalismus“ haben einige Vertreter dieser Zunft darüber debattiert. Zurückhaltung war der Tenor. Selbst wenn die Redaktionen in der Vergangenheit konkrete Tipps gegeben haben, rücken die meisten inzwischen davon ab. Der Leiter der Programmdirektion Wirtschaft beim WDR-Hörfunk, Uwe Möller, beurteilte die vergangene Praxis der konkreten Anlageempfehlung als Fehler. Ebenso empfindet es Alexander Hagelüken, leitender Redakteur Finanzen bei der „Süddeutschen Zeitung“: „Derzeit ist es sehr schwierig, über Geldanlagen zu berichten. Allerdings war es nie der Geist der ,Süddeutschen‘ zu schreiben: Kaufen sie das“, so Hagelüken. Auch für den Leiter der Wirtschaftsredaktion beim Hessischen Rundfunk, Thomas Hütsch, gilt die redaktionelle Vorgabe, keine konkreten Anlageempfehlungen zu geben. Eine deutlich andere Auffassung von seiner Aufgabe als Verbraucherjournalist hat der Chefredakteur des Magazins „Finanztest“, Hermann-Josef Tenhagen. Er sieht den klaren Wunsch der Leser nach konkreter Hilfe und Orientierung. Diese will er mit „Finanztest“ auch bieten und den Lesern klar sagen, wo sie ihr Geld anlegen können und wo sie besser Abstand halten. „Mit einfachen ,Top‘- oder ,Flop‘-Kategorien ist dies allerdings nicht zu machen“, so Tenhagen, „dafür sind Anlageentscheidungen zu individuell.“ Für Tenhagen ist vor allem der Verbraucherjournalismus an sich gefährdet, wenn eine kritische Berichterstattung unterbleibt und Empfehlungen nicht mehr ausgesprochen werden. „Dann überlassen wir die Produktberichterstattung den PR-Leuten.“

Die verbraucherorientierte Berichterstattung wird weiter zunehmen. Dies ist eine der wahrscheinlichen Folgen der Krise für den Wirtschaftsjournalismus: Möglicherweise zurückhaltender bei den konkreten Empfehlungen, dafür mit mehr Hintergrund. Dem Leser eine Entscheidungsgrundlage bieten, ist der Tenor in zahlreichen Redaktionen, die konkrete Entscheidung möge er aber bitte selber treffen. So entzieht sich der Verbraucherjournalismus dem Dilemma falscher Vorhersagen. Entweder zu früh verkauft oder zu spät gekauft macht an den Börsen eben den Unterschied aus. Auf diesen Unterschied setzen die Anlegermagazine. Nahezu unbeirrt von der Krise titeln sie weiterhin mit ausufernden Renditeerwartungen, gerade so, als habe es eine Finanzkrise nie gegeben. Allerdings werden die Erwartungen in den Artikeln zurückgeschraubt, in den Redaktionsstuben der Anlegermagazine walten offensichtlich auch Vorsicht und Zurückhaltung.

Eine weitere Folge für den Wirtschaftsjournalismus: Die Wirtschaftskrise ist auch eine Medienkrise. Der drastische Rückgang der Anzeigen geht nicht spurlos an den Verlagen vorbei. Dabei sind die Wirtschaftsmagazine das am stärksten betroffene Segment. Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften haben mit den ersten Anzeichen der Finanzkrise ihre Anzeigenaufträge storniert. Brancheninsider vermuten in der Folge auch eine weitere Marktbereinigung, insbesondere bei den Anlegermagazinen, denen inzwischen auch die Käufer abhandenkommen. Nach dem Zusammenbruch der New Economy ist bereits eine Vielzahl an Wirtschaftstiteln verschwunden, die allerdings erst durch den Börsenboom ins Leben gerufen wurden. Verluste von 30 bis 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind bei den Anzeigenerlösen derzeit die Regel. Eine baldige Erholung ist nicht in Sicht. Damit verstärkt sich das Dilemma der ohnehin schon stark ausgedünnten Wirtschaftsredaktionen. Qualitätsjournalismus muss auch bezahlt werden können. Der wird oft nur noch in den Redaktionen der großen Magazine und Wirtschaftszeitungen geleistet. Mit annähernd stabilen Verkaufszahlen könnten sie als die Gewinner aus der Krise hervorgehen. Der Chefredakteur des „Wirtschaftsjournalist“, Markus Wiegand, sieht allerdings auch die Verbraucher in der Pflicht. „Wenn die Leute mehr Wirtschaftsthemen lesen würden, dann wären auch die Mittel vorhanden, um dem Anspruch des investigativen, aufklärenden Wirtschaftsjournalismus stärker gerecht zu werden“. Und: „Es ist ja nicht so, dass die Anzeichen der Krise verschwiegen wurden; sie standen nur nicht in den regionalen Tageszeitungen“.

Der Wirtschaftsjournalismus hat durch die Krise an Bedeutung gewonnen.

Die Zukunft des Wirtschaftsjournalismus ist nicht gefährdet, dessen sind sich die Vertreter dieses Berufs einig. Wirtschaft betrifft fast alle Bereiche des Lebens und jeder sieht sich mit wirtschaftlichen Fragestellungen konfrontiert. Der Wirtschaftsjournalismus hat sogar durch die Krise an Bedeutung gewonnen. Wirtschaft, insbesondere die Finanzwirtschaft, ist eine teils hoch komplexe Thematik. Diese zu durchschauen und zu übersetzen, verlangt nach Spezialisten. Im publizistischen Selbstverständnis des „Handelsblatt“ heißt es: „…Wirtschaftsmedien müssen Durchblick schaffen. … Der moderne Wirtschaftsjournalist taucht ,tief‘ in seine spezifische Fachmaterie ein … Aber er darf nicht nur Fakten aufbereiten. Er muss Themen mit den Augen des Lesers erkennen, Entwicklungen sortieren und analysieren.“ Ein Anspruch, wie er für alle Wirtschaftsredaktionen gelten sollte. „Tatsächlich haben wir eine zweigeteilte Gesellschaft“, so Christoph Moss, Professor für Unternehmenskommunikation und ehemaliger Redakteur des Handelsblatt. „Wir haben sehr gut ausgebildete Journalisten in der Spitze bei den Qualitätstiteln, die Bilanzen lesen können und ihre Arbeit beherrschen. Aber die Masse der Wirtschaftsberichterstattung findet bei Lokal- und Regionalzeitungen statt. Ausbildung in der Breite ist deshalb eine Antwort auf die Krise des Wirtschaftsjournalismus.“ Können Journalisten Entwicklungen vorwegnehmen, kann es einen antizipativen Wirtschaftsjournalismus geben? Roland Tichy, Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, hält das für sehr schwierig. „Wirtschaftsjournalisten müssen Anzeichen einer Krise deuten können, sie müssen erkennen, wenn sich Ungleichgewichte im Markt aufbauen; konkret Krisen benennen können sie nicht“.

„Die Wirtschaftswoche hat die Anzeichen der Krise bereits frühzeitig thematisiert. Dafür ist uns Schwarzmalerei vorgeworfen worden“, so Tichy, der dafür inzwischen zum „Wirtschaftsjournalist des Jahres 2008“ gekürt wurde. „Das führt den Wirtschaftsjournalismus in eine fragwürdige Situation“, so Tichy weiter, „denn wer dreimal ,Feuer‘ schreit, ohne dass die Hütte brennt, gilt beim vierten Alarm als berufsmäßiger Pessimist und wird nicht mehr gehört.“ „Aus heutiger Sicht ist die Entwicklung der Krise wunderbar zu analysieren“, meint auch Markus Wiegand, „aber wer will denn die Krisenszenarien lesen, wenn sie erscheinen?“ Auch Christoph Moss hält einen antizipativen Wirtschaftsjournalismus für nicht realisierbar: „Man kann von Wirtschaftsjournalisten auch nicht erwarten, dass sie mehr leisten als Analysten und Wirtschaftsforscher“.

Inzwischen gibt es erste Anzeichen einer leichten Erholung der Konjunktur. Und schon schallt es aus dem Blätterwald: Die Krise ist vorbei, wir haben es geschafft. Das gleiche Muster wie zu Beginn der Krise. Vielleicht schafft es der Journalismus auf diesem Weg, die Entwicklung zu intensivieren. Umgekehrt geschieht dies sehr schnell, eine Besonderheit des Wirtschaftsjournalismus: Die Berichterstattung kann Trends verstärken. Die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung ist: Wirtschaft lässt sich nicht immer auf eine einfache Formel bringen. Wichtig sind deshalb die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und an die richtigen Personen. Dann wird der Wirtschaftsjournalismus auch in breiter Form seine Leser finden und die Zweiteilung zwischen Qualitätsjournalismus auf der einen und Mainstream auf der anderen Seite weicht einem hintergründigen, aufklärenden und auch spannenden Wirtschaftsjournalismus. Denn eines ist sicher: Die nächste Krise kommt bestimmt.

Der Text erschien zuerst im Magazin Fachjournalist.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit von NGOs und Unternehmen

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit von NGOs und Unternehmen

Was hat es tatsächlich auf sich mit der Zusammenarbeit von Unternehmen und NGOs (non-governmental organization)? Welche Chancen bieten sich, was sind die Herausforderungen – und kann das wirklich funktionieren? Ein erfolgreiches Beispiel ist die Kooperation zwischen dem Modehaus C&A und dem Kinderhilfswerk terres des hommes. Im Interview geben Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation bei C&A, und Barbara Küppers, Leiterin des Referats Kinderrechte bei terre des hommes, Einblick in eine starke Partnerschaft.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Küppers: Nach dem ersten Kennenlernen haben wir beide, entgegen unseren Erwartungen, festgestellt, dass wir eigentlich gut zusammenarbeiten könnten. Von dieser ersten Erkenntnis bis zum konkreten Handeln hat es aber noch zwei Jahre gedauert. Sowohl terre des hommes als auch C&A waren zu dieser Zeit, und sind es noch heute, im südindischen Tirupur tätig. Der gegenseitige Nutzen einer Zusammenarbeit war auch schnell deutlich, aber beide Parteien waren naturgemäß zunächst skeptisch. Wir mussten in unseren Organisationen erst intensiv um Vertrauen werben.

Rolfes: Es galt zunächst festzustellen, ob wir gemeinsame Ziele haben und ob diese ehrlich und authentisch sind. Unternehmen wird ja schnell Greenwashing vorgeworfen oder der Verdacht, sie wollen sich mit einer NGO vor Vorwürfen schützen. Wir konnten terre des hommes aber doch schnell davon überzeugen, dass der Schutz von Kindern in unserer Unternehmenspolitik fest verankert ist und für die Eigentümerfamilie von C&A ein wichtiges Anliegen darstellt. Das gemeinsame Ziel deckte sich aber auch mit unseren unternehmerischen Herausforderungen, schließlich lassen wir als Textilhersteller unsere Produkte in Ländern wie Indien und Bangladesh produzieren, sind also mit den Problemen konfrontiert.

Welche Faktoren waren für die Kooperation besonders wichtig?

Rolfes: Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen. Das hört sich leicht an, aber Vertrauen aufbauen braucht Zeit. Dazu gehört auch Verlässlichkeit, also die Möglichkeit, die andere Seite jederzeit erreichen zu können, genauso wie der kontinuierliche Dialog über die gemeinsamen Themen. Diese Aspekte sind in unserer Zusammenarbeit gegeben und deshalb besteht die Kooperation auch schon seit 14 Jahren.

Küppers: Für uns war tatsächlich das gemeinsame Ziel ausschlaggebend für die Zusammenarbeit. Es entstanden Synergien, die uns vor Ort geholfen haben. Wir waren ja schon vorher in Tirupur tätig, hatten aber nie Zugang zu den Fabriken. Durch C&A war der Druck auf die Fabrikanten gegeben und wir konnten parallel die notwendige gesellschaftliche Aufklärung bei den Familien, in den Schulen und Behörden vorantreiben. Durch dieses Zusammenwirken wurden auch schnell Erfolge sichtbar, die Kinderarbeit in Tirupur ging deutlich zurück. Trotzdem haben wir bei diesem Thema auch eine klare Forderung: Die beteiligten Firmen müssen Verantwortung für die Beseitigung von Kinderarbeit oder anderer Missstände übernehmen. Deshalb liegt es nahe, dass sich Betriebe finanziell an den Alternativprogrammen für die Betroffenen beteiligen. Insofern nehmen wir nicht nur dankbar einen Scheck entgegen, sondern wir halten diese Forderungen aufrecht und nehmen die Partner in die Pflicht.

Wie konnten Sie Vorbehalte in den eigenen Reihen ausräumen?

Küppers: Auch an dieser Stelle ist erstmal die gemeinsame Zielsetzung entscheidend. Dennoch werden Unternehmenskooperationen von manchen unserer Mitglieder sehr kritisch betrachtet. Überzeugen können wir vor allem durch Transparenz und Erfolge, also beispielsweise die sichtbare Reduzierung von Kinderarbeit. Trotzdem bleiben sie ein ständiges Diskussionsthema, unsere Mitglieder müssen über die neuesten Entwicklungen stets informiert werden. Dieser Prozess ist allerdings sehr wichtig, damit wir unsere Wachsamkeit behalten.

Rolfes: Aus unserer Sicht spielt die Zeitachse eine wichtige Rolle. Als wir mit unserer Partnerschaft gestartet sind, wurde in weiten Teilen der Wirtschaft noch völlig anders gedacht als heute. Die Zusammenarbeit mit einer NGO wurde sehr kritisch betrachtet. In internen Gesprächen wurden vor allem die Risiken betont, die Angst davor, von einer NGO getrieben zu werden. Im Verlauf der Zeit fand allerdings ein Umdenken statt. Immer öfter wurden die Chancen gesehen und die Möglichkeiten, voneinander zu lernen. Glücklicherweise hat sich diese Betrachtungsweise langfristig durchgesetzt. Heute sehen wir verstärkt die Zusammenarbeit von NGOs mit der Wirtschaft, aber auch von konkurrierenden Unternehmen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Es ist die Überzeugung gewachsen, dass sich viele Probleme nur gemeinsam lösen lassen.

Welche Faktoren machen den Erfolg einer guten Zusammenarbeit aus?

Küppers: Die Aufgabe von NGOs ist es natürlich, Unternehmenspolitik kritisch zu hinterfragen. Allerdings müssen sich NGOs, die Unternehmenskooperationen eingehen, klar entscheiden. Auf der einen Seite Kampagnen gegen Unternehmen starten und auf der anderen Seite mit den gleichen Unternehmen kooperieren, geht nicht. Natürlich gibt es einen Dialog, in dem beiden Seiten betrachtet werden. Wir stellen auch klare Forderungen und wir erwarten entsprechende Reaktionen. Würden diese ausbleiben, dann würden wir auch die „Gangart“ wechseln. Diesbezüglich funktioniert unsere Partnerschaft mit C&A sehr gut, unter anderem weil es ein persönliches Vertrauensverhältnis der beteiligten Personen gibt. Wir können offen miteinander reden und Probleme klar ansprechen. Diese Klarheit ist wichtig, um auf Kritik reagieren zu können, die es selbstverständlich auch gibt.

Rolfes: Für uns war auch immer wichtig, dass die Kooperation sehr lösungsorientiert arbeitet, und zwar lösungsorientiert im Sinne der betroffenen Menschen. Also langfristige Erfolge erreichen, auch wenn diese manchmal klein sind. Mir persönlich ist beispielsweise immer die glaubwürdige Unterstützung durch die Eigentümerfamilie wichtig gewesen. Ein klares Bekenntnis zur Veränderung trotz aller unternehmerischen Zwänge.

Welche Reaktionen bekommen Sie?

Küppers: Wir erhalten Feedback durch die regelmäßigen Diskussionen mit unseren Mitgliedern. Auch wenn diese kritisch verlaufen, so hat die Mehrheit immer für die Fortführung der Kooperation gestimmt. Kooperationen sind immer ein Vabanquespiel. Schnell kommt der Vorwurf des Greenwashing auf, den wir auf jeden Fall vermeiden wollen. Auf der anderen Seite wollen wir Firmen natürlich auch keinen Freibrief ausstellen. In der Summe bekommen wir aber positive Reaktionen, sowohl von Mitgliedern und Spendern als auch von anderen Unternehmen. Insofern hat uns diese Zusammenarbeit so manche Tür geöffnet.

Rolfes: Direkte Rückmeldungen von Kunden bekommen wir eher selten. Von den Mitarbeitern wird die Zusammenarbeit aber sehr positiv bewertet. Das ist sehr erfreulich, weil es auch ein wichtiger Beitrag für die Unternehmenskultur ist. Auf der anderen Seite werden unsere Bestrebungen, Missstände zu beseitigen, durch die Kooperation auch sehr glaubwürdig. Nicht wir sagen, was richtig ist, sondern wir setzen hier ganz stark auf die Kompetenz von terre des hommes.

Küppers: Für mich wird der Erfolg auch durch das Engagement der C&A-Beschäftigten deutlich. Die Mitarbeiter interessieren sich, fragen nach und bringen persönliches Engagement ein. Wenn eine Zusammenarbeit so aufgenommen wird, dann funktioniert sie und dann trägt sie auch zur Mitarbeitermotivation bei.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Thomas Feldhaus

Ergänzendes zum Thema

Informationen über die Kooperation von C&A und terres des hommes

Bereits im Juni 1999 traten das Modehaus C&A und das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk terre des hommes gemeinsam vor die Presse, um ihre Zusammenarbeit gegen Kinderarbeit in den Textilfabriken Tirupurs, Indien, zu verkünden. Vorangegangen waren zwei Jahre intensiver Vorarbeit, in denen ein gemeinsames Projekt formuliert und alle Bedenken zerstreut wurden. Inzwischen sind 14 Jahre vergangen und die Zusammenarbeit wurde auf weitere Projekte, unter anderem gegen das Sumangali-System (Brautgeld für Frauen) und die daraus resultierenden sklavenähnlichen Bedingungen in den Spinnereien Süd-Indiens, ausgeweitet. Beide Kooperationspartner bewerten die Zusammenarbeit als erfolgreich und planen eine Fortführung der gemeinsamen Unternehmungen.

Der Text wurde auf csr-news und marconomy.de veröffentlicht.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein