Innovation und Nachhaltigkeit

Chancen (er-)kennen und nutzen

Produkte und Dienstleistungen sind die wichtigste Schnittstelle zum Kunden. Mit ihrem Leistungsversprechen übernehmen Unternehmen Verantwortung, und die reicht weit über die Qualitätszusage hinaus. Ökologisch bedenkenlos und sozial einwandfrei sollen sie sein. Für verantwortungsvolle Unternehmer eine Chance.

Das Alte auf eine neue Weise tun“, so sagte es der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter, das sei Innovation. Für ihn war der Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ der Kern unternehmerischen Handelns. Für Schumpeter kamen die auslösenden Impulse aus dem Markt, heute sind globale Entwicklungen wie der Klimawandel oder die Rohstoffverknappung zusätzliche Treiber für Produktinnovationen. Auf dem Weg zur „Green Economy“ wird jedes verantwortlich handelnde Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt, einfache Qualitätsversprechen reichen nicht mehr aus, um am Markt zu bestehen. Produkte müssen einer nachhaltigen Entwicklung genügen, ausgehend von der ressourcenschonenden Produktion bis hin zur umweltgerechten Entsorgung. Vorausschauende Unternehmer berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien deshalb schon bei der Entwicklung und verbessern damit ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Nachhaltigkeit auch im Maschinenbau

Längst sehen Unternehmen aller Branchen die Herausforderung als Chance und sichern mit innovativen Lösungsansätzen die Zukunftsfähigkeit ihrer Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen. Zahlreiche Brancheninitiativen zeugen von der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und die sind längst nicht mehr nur im Konsumgütermarkt zu finden. Ende 2011 hat der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA ) die Nachhaltigkeitsinitiative „Blue Competence“ ins Leben gerufen. Mehr als 250 Unternehmen und weitere 37 Branchenverbände haben sich inzwischen der Initiative angeschlossen. Nachhaltigkeit und Maschinenbau werden selten in einem Atemzug genannt, dies will die Initiative ändern und die Innovationsfähigkeit dieser Schlüsselbranche sichtbarer machen und weiter vorantreiben. Vor allem für die Zulieferindustrie wird dies auch zur Überlebensfrage. In den Einkaufsabteilungen großer Konzerne finden Nachhaltigkeitskriterien zunehmend Einzug und auch bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand werden ökologische und soziale Kriterien zukünftig immer öfter Berücksichtigung finden. Dann kann die bessere Ökobilanz oder die richtige Zertifizierung zum ausschlaggebenden Kriterium werden. Schließlich werden auch an die Endprodukte Nachhaltigkeitsforderungen gestellt.

In der Praxis dominiert Energieeffizienz

„Jedes Produkt, das wir neu entwickeln, muss seinen Vorgänger ökonomisch und ökologisch übertreffen“, heißt es deshalb beim fränkischen Anbieter von Luft- und Antriebstechnik ebm-papst, Teilnehmer der „blue competence“-Initiative. Unter der Unternehmensleitlinie „GreenTech“ fasst das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsaktivitäten zusammen. Schon während der Produktentwicklung werden Umweltverträglichkeit, Energiebilanz und Recyclingfähigkeit berücksichtigt, und zwar sowohl für die Produktion als auch für den späteren Einsatz beim Kunden. Lebenszykluskostenrechnung oder Produktlinienanalyse sind die Instrumente, mit denen Unternehmen die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Produkte erfassen können. In der Praxis dominieren noch ökologische Aspekte, meist wird an erster Stelle die Energieeffizienz verbessert und in der Folge der Product Carbon Footprint, der ökologische Fußabdruck eines Produktes. Dieser berücksichtigt die Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und über den gesamten Lebenszyklus des Produktes.

Tatsächlich reichen die Anforderungen an eine verantwortungsvolle Produktentwicklung viel weiter und berücksichtigen ebenso Aspekte wie Ressourcenschonung, Biodiversität, Barrierefreiheit, Langlebigkeit oder Recyclingfähigkeit. Vor allem gilt, es die Produktions- und Nutzungsphase zu berücksichtigen. Gerade dieser Teil der Lebenszyklusbetrachtung wird gerne vergessen, aber die Verantwortung endet nicht an den Werkstoren. Innovative Produktlösungen haben deshalb auch die Auswirkungen beim Kunden beziehungsweise Konsumenten im Blick. Ein nachhaltiger Mehrwert überzeugt Kunden, und so hat man bei ebm-papst nicht nur die Einsparungen bei Energie und CO2-Ausstoß im Blick, sondern ebenso die Reduzierung von Geräuschemissionen sowie eine nachhaltige Logistik. Durch zahlreiche Auszeichnungen, darunter der Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg, sieht sich das mittelständische Unternehmen bestätigt und für die Zukunft gut aufgestellt.

„Unsere Produkte müssen den Kunden einen Mehrwert bieten“, sagt auch Andreas Merkel. Er ist Geschäftsführer des mittelständischen Familienbetriebs Otto Garne. „In unserem Segment lohnt es sich eigentlich nicht, in Deutschland zu produzieren“, so Merkel, „deshalb setzen wir auf eine Premium- und Nischenstrategie.“ Seine Abnehmer kommen aus der Textilindustrie, und die kauft hauptsächlich in den Billiglohnländern Asiens ein. „Garne bieten normalerweise nur begrenztes Innovationspotenzial“, so Merkel, „und neue Produkte lassen sich schnell kopieren.“ Mit innovativen und nachhaltigen Lösungen gelingt es ihm trotzdem, Hersteller wie Triumph, Lacoste, Daniel Hechter oder Brax zu überzeugen. Den entscheidenden Vorsprung sichert sich Otto Garne mit seinen „Sustainable Concepts“. Dahinter verbergen sich Produkte wie „recot2“, eine Faser, die aus frischer Baumwolle und recycelten Produktionsabfällen entwickelt wurde, oder „Piumafil“, ein hochwertiges Garn aus der als nicht verspinnbar geltenden Kapokfaser. Rund 20 Prozent vom Umsatz erwirtschaften diese nachhaltigen Produkte inzwischen, mit deutlichen Steigerungen, wie Merkel erklärt. So kann das Unternehmen seine Produktion am Standort Deutschland sichern und sich auch im Wettbewerb um Fachkräfte durchsetzen. „Wir gelten in der Region als attraktiver Arbeitgeber“, so Merkel, „vor allem auch durch unsere  Firmenphilosophie, in der Nachhaltigkeit fest verankert ist.“


Der Letzte seiner Art

Unternehmensporträt Gebr. Otto Baumwollfeinzwirnerei GmbH & Co. KG

Vor genau 112 Jahren wurde im württembergischen Dietenheim die Firma Otto Garne gegründet. Ein Exot in einer Branche, die es in Deutschland eigentlich nicht mehr gibt, die längst ins Ausland abgewandert ist. Für Otto Garne war dies nie ein Thema, wie Geschäftsführer Andreas Merkel versichert: „Wir leben hier unsere Werte von Generation zu Generation. Dazu gehört, dass wir uns mit unserem Standort identifizieren“. Am Gründungsort Dietenheim und im benachbarten Unterbalzheim beschäftigt das inzwischen in vierter Generation geführte Familienunternehmen 160 Mitarbeiter. Hier werden die jährlich 3.000 Tonnen feine Baumwollgarne und 1.000 Tonnen hochwertige Garne für die Kunden aus der Textilindustrie gesponnen und gezwirnt. „Nachhaltigkeit und Innovation bestimmen unser unternehmerisches Handeln“, sagt Merkel. Sichtbar wird dies in der Unternehmenssparte „Sustainable Concepts“ mit den Produktlinien Bio, Fairtrade, Piumafil und recot2. Seit 1998 befasst sich das Unternehmen mit der Entwicklung nachhaltiger und ganzheitlicher Produktionskonzepte, als Reaktion auf steigende ökologische Ansprüche der Kunden. Zahlreiche Zertifikate vom Fairtrade-Siegel bis hin zum Global Organic Textile Standard (GOTS ), einem Siegel für soziale und ökologische  Produktionsbedingungen in der textilen Wertschöpfungskette, belegen die Anstrengungen. Bei der neuesten Produktentwicklung recot2, in die das Unternehmen 300.000 Euro investiert hat, stand das Thema Recycling im Mittelpunkt. Mit einem neuen Verfahren werden Produktionsabfälle und Baumwolle zu einem Garn verarbeitet und dadurch Ressourcen geschont und auch enorme Mengen Wasser eingespart. „Der weltweite Wassermangel wird das zentrale Problem der Zukunft“, erläutert Merkel die Motivation für diesen Ansatz. Entstanden ist recot2 aus einer Kooperation mit der Universität Ulm. „Gerade in der Produktentwicklung sind Kooperationen und Netzwerke der Schlüssel für kleinere Unternehmen“, so Merkel.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „Zukunft unternehmen“ der Bertelsmann Stiftung