Ghostwriting

Value Investing – Investieren wie Warren Buffett

Value Investing – Investieren wie Warren Buffett

Warren Buffett ist einer der berühmtesten Investoren – wenn nicht gar der berühmteste Investor – und hat Anhänger auf der ganzen Welt. Mehrere 10.000 Anleger pilgern jährlich zur Hauptversammlung seines Unternehmens Berkshire Hathaway. Häufig wird dieses Aktionärstreffen auch als „das Woodstock der Kapitalisten“ bezeichnet. Dort liefern Buffett und sein Geschäftspartner Charlie Munger immer wieder eine inzwischen legendäre Bühnenshow ab und sind dabei eine Art Aktien-Seismograf für professionelle und private Investoren rund um den Globus. Die Art, wie Buffett die Wirtschaft insgesamt und Unternehmen im Speziellen betrachtet, ist logisch, doch nur auf den ersten Blick scheinbar auch simpel. Buffett selbst beschreibt seine Philosophie gerne in einem Satz: „Der Preis ist das, was man bezahlt; der Wert ist das, was man bekommt.“

Der Preis eines Gutes wird vor allem durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Wert entsteht durch den Besitz dieses Gutes. Beispielsweise wirft der Besitz einer Immobilie Mieten ab, der Besitz eines Unternehmens generiert Gewinne und der Besitz eines Haustiers produziert positive Emotionen. Das Ziel des Investors ist es, eine Differenz zwischen Preis und Wert aufzuspüren. Wenn er erkennt, dass der Wert des Gutes den Preis übersteigt, schlägt er zu und freut sich über ein Schnäppchen. Er betrachtet den Kauf dann als eine „gute Investition“. Genau dieses Prinzip verfolgt Warren Buffett beim Investieren. Er ist auf der Suche nach Schnäppchen, nach dem Unternehmen, dessen innerer Wert die meisten Marktteilnehmer noch nicht erkannt haben und die Anteile an diesem Unternehmen deutlich unter ihrem eigentlichen Wert handeln. Buffett will keine billigen Ramschpapiere kaufen, sondern es geht ihm um intelligentes Investieren in „wonderful companies“. Das bedeutet den Kauf eines deutlich  unterbewerteten, aber qualitativ hochwertigen Anlagegutes. Er investiert in Aktien, deren Börsenkurs unter ihrem eigentlich „fairen Wert“ liegt, im Idealfall sogar weit darunter, um über einen zusätzlichen Sicherheitspuffer zu verfügen. Denn, so Buffetts Überzeugung, nur niedrig bewertete Aktien von Unternehmen bieten auch langfristig ein stabiles Investment mit guten Renditen.

„Value Investing“ heißt dieses Prinzip und es bedarf dabei der Fähigkeit, sich am fundamentalen Wert eines Unternehmens zu orientieren. Bekannt wurde Value Investing durch den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Investor Benjamin Graham. Graham kaufte Aktien nur dann, wenn er sie unter ihrem fundamentalen Wert erwerben konnte. Dieser fundamentale, innere Wert einer Aktie bzw. eines Unternehmens ist die Basis des wertorientierten Aktieninvestments. Graham gilt als Begründer der fundamentalen Wertpapieranalyse und hat diese auch an der Columbia University gelehrt. Dort traf er auf Warren Buffett, das heißt genau genommen war es eher umgekehrt, denn Buffett war Student in Grahams Vorlesungen. Schnell war Buffett von der Logik des intelligenten Investierens überzeugt und hat diese zu einem zentralen Bestandteil seiner eigenen Investmentstrategie gemacht. Graham wurde für Buffett weit mehr als ein Hochschul-Lehrer, vielmehr bezeichnet er ihn immer als wichtigen Freund und Mentor. 1949 veröffentlichte Benjamin Graham sein bekanntestes Buch „The Intelligent Investor“, ein Millionen-Bestseller, der oft als Investment-Bibel bezeichnet wird und dessen neueste Auflage aus dem Jahr 2003 mit einem Vorwort von Warren Buffett eingeleitet wird. Mit diesem Buch richtete er sich an ein breites Publikum. Es basiert auf Seinem Standardwerk zur fundamentalen Wertpapieranalyse „Security Analysis“, dass er 1934 zusammen mit David Dodd veröffentlichte.

Wie schon geschrieben, beruht die Strategie des Value Investing auf einer eher simplen Regel: Kauf eine Aktie nur unterhalb ihres wahren Werts. Die Herausforderungen für Investoren besteht darin, diesen inneren Wert eines Unternehmens oder einer Aktie zu erkennen. Im Übrigen lässt sich das Prinzip des wertorientierten Investierens auch auf andere Anlagekategorien wie Anleihen oder Immobilien übertragen. Immer dann, wenn Marktpreise offenkundig den realen Wert eines Anlageobjekts nicht angemessen widerspiegeln, ist es hilfreich und sinnvoll, den realen inneren Wert zu ermitteln. Eine der Grundannahmen des Value Investing geht davon aus, dass Marktpreise auf lange Sicht immer um den inneren Wert schwanken. Der Aktienhandel neigt zu teilweise sehr deutlichen Unter- oder  Übertreibungen und bildet deshalb meist nicht den wahren Wert einer Aktie ab. Der Handelswert bzw. Aktienkurs orientiert sich über einen längeren Zeitraum betrachtet allerdings immer wieder an seinem inneren Wert.

Um diesen inneren Wert, der oft auch fairer Wert genannt wird, zu ermitteln, ist die Analyse der wirtschaftlichen und fundamentalen Daten eines Unternehmens – oder eben einer anderen Anlagekategorie – der erste und wichtigste Schritt. Liegt der innere Wert unter dem Handelspreis, dann spricht man von einer unterbewerteten Aktie. Liegt der Handelspreis über dem inneren Wert, so gilt die Aktie als überbewertet. Sind innerer Wert und Handelspreis ungefähr im Einklang, wird die Aktie als fair bewertet betrachtet. Am Value orientierte Investoren suchen nun Aktien oder andere Formen der Unternehmensbeteiligung, die als unterbewertet gelten, um von deren zukünftigem Wertzuwachs zu profitieren. Das heißt, sie müssen Fehleinschätzungen des allgemeinen Marktes erkennen und mutig der Richtigkeit der eigenen Meinung vertrauen. Erst wenn der Markt seine Fehleinschätzung erkennt und korrigiert (was auch mal mehrere Jahre dauern kann), wird der Value-Investor für seine Kühnheit belohnt. Somit ist „Value Investing“ eine Kunst, die nicht einfach zu erlernen ist.

Die vier Filter des Investierens

Intelligentes Investment bedeutet oftmals im Gegensatz zum üblichen Börsengeschehen zu handeln. Beim Value Investing geht es nicht um schnelle Käufe und Verkäufe, sondern um solide Analysen der fundamentalen Werte eines Unternehmens. Das ist etwas völlig anderes als die technische Chart-Analyse der Trader. Die Aktie eines Unternehmens auf eine andere Art wahrzunehmen hat Warren Buffett von seinem Mentor Benjamin Graham gelernt. Nicht Wertpapier und Kurs sollten im Fokus einer Investmententscheidung stehen, vielmehr sollte die Frage lauten: In welches Unternehmen und zu welchen Bedingungen investieren ich?

Das verändert die Perspektive, und das verändert auch den Anlagehorizont. Nicht der kurzfristiger Gewinn steht im Vordergrund, sondern eine möglichst dauerhafte stabile Rendite. Der intelligente, wertorientierte Investor sieht sich nicht in der Rolle des Inhabers von Wertpapieren, sondern er ist Teilhaber eines Unternehmens, er ist nicht Anleger, sondern Unternehmer. Das zeigt sich beispielsweise beim Umgang mit dem Unternehmensgewinn. In einer Aktiengesellschaft kann dieser für Investitionen in die Zukunft im Unternehmen verbleiben, oder er wird als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. Dividenden-Investoren sind lediglich an der Dividende interessiert, weil sie erst dadurch den Gewinn realisiert sehen. Dividendentitel – also Aktien mit hoher Dividendenausschüttung – weisen jedoch in den meisten Fällen kein hohes Wachstum aus, da ihnen das Cash zum Reinvestieren fehlt. Wertorientierte Anleger betrachten dagegen die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Unternehmens, und die setzt in den meisten Fällen Investitionen in die Zukunft voraus. Für entsprechende Investitionen einbehaltene Gewinne sind also in der Regel wertsteigernd. Buffett nennt diese Art des Investierens deshalb auch unternehmensbezogenes Investment.

Doch bevor die Investition in ein werthaltiges Unternehmen möglich ist, muss ein solches erstmal gefunden werden. Buffetts genialer Geschäftspartner Charly Munger hat einmal in einem Interview den von ihnen angewendeten Analyseprozess mit viel Filtern umschrieben. Diese Filter können dabei helfen, die große Anzahl potenzieller Unternehmensbeteiligungen auszusieben und die werthaltigen Aktien mit hohem Renditepotenzial zu identifizieren.

Filter 1: Circle of Competence, der Kompetenzkreis

Der erste Filter und vielleicht schon der entscheidende ist der sogenannte Circle of Competence. Weil man nicht in allen Themen und Gebieten oder auf die Wirtschaft bezogen in allen Branchen ein Experte sein kann, sollte man sich auf seine Kernfähigkeiten konzentrieren. Buffett ist der Meinung, dass die Größe des Kreises dabei nicht so wichtig sei, unerlässlich sei es aber, seine Grenzen zu akzeptieren. Das bedeutet, wer über zahlreiche Kompetenzen und Kenntnisse verfügt, hat einen etwas größeren Kreis, wer sich auf einige wenige Themen fokussiert, hat eben einen kleineren Kreis. Beides hat seine Richtigkeit, entscheidend ist es für Buffett, diesen Kreis nicht zu verlassen, schließlich geht es darum, Unternehmen richtig zu bewerten. Ein Experte für Pharmaunternehmen ist nicht automatisch dazu in der Lage, mit der gleichen Expertise ein Handelsunternehmen zu bewerten.

Buffett warnt davor in Unternehmen zu investieren, von deren Geschäft man nichts versteht oder deren Geschäftsmodell man nicht beurteilen kann. An dieser Stelle sollte man Buffett aber nicht missverstehen und sich auf einst erworbenen Lorbeeren ausruhen. Intelligentes Investieren heißt eben auch Fleißarbeit und die Aufforderung, seinen Horizont ständig zu erweitern. Das bedeutet, die Position eines Unternehmens in seinem Markt bewerten zu können. Dafür sind Kenntnisse über den Gesamtmarkt und seine Herausforderungen ebenso notwendig wie detailliertere Kenntnisse über die wichtigsten Marktteilnehmer. Der Kompetenzkreis reduziert also die Auswahl potenzieller Unternehmensbeteiligungen auf Unternehmen, deren Geschäftsmodell und deren wirtschaftliche Situation man einschätzen kann. Damit kommt man zu dem Moat (englische Bezeichnung für „Burggraben“), der zweite Filter der Investitionsanalyse. Jetzt stehen die Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit im Mittelpunkt.

Filter 2: Moat, der Burggraben

Munger ist im Gegensatz zu Buffett bekannt für seine Wortkargheit. Ihm gelingt es aber immer wieder, komplexe Sachverhalte in kurzen Sätzen oder nur mit einem Wort prägnant auszudrücken. So auch in diesem Fall, denn den Burggraben darf man fast wörtlich nehmen. Ein Moat ist ein nahezu unüberwindbares Hindernis, um die Burg und ihre Bewohner vor Eindringlingen von außen zu beschützen. Es geht jetzt nicht darum, Unternehmen zu finden deren Firmensitz von einem sichtbaren Burggraben umgeben ist. Es geht darum, Unternehmen zu finden, die einen hohen Schutz vor Wettbewerb haben. Burggraben-Unternehmen sind Unternehmen, die in ihren Märkten eine fast unangefochtene Stellung haben, deren Geschäftsmodell vor Konkurrenz, Nachahmern und auch wirtschaftlichen Krisen einen hohen Schutz aufweist. Es geht um einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil, um Merkmale, mit denen die Einzigartigkeit eines Unternehmens und seiner Produkte sichtbar wird. Im Marketing spricht man dann von der Unique Selling Proposition (USP) – dem unternehmerischen Alleinstellungsmerkmal.

Ein Burggraben kann durch ein oder mehrere Merkmale gekennzeichnet sein. Je ausgeprägter diese sind, umso tiefer bzw. breiter ist der Graben und – um im Bild zu bleiben – vielleicht sogar mit Wasser gefüllt. Buffett spricht in diesem Zusammenhang gerne von Unternehmen mit einem Verbrauchermonopol. Oft wird Buffett an diesem Punkt bewusst oder unbewusst falsch verstanden. Es geht ihm nicht um die missbräuchliche Marktposition eines Unternehmens, sondern um eine Marktstellung, die dem Unternehmen quasi zugesprochen wird, etwa weil Konsumenten die Produkte besonders schätzen und deshalb bereit sind, dafür höhere Preise zu bezahlen. Apple ist ein Beispiel dafür, auch wenn Buffett aufgrund anderer Merkmale nicht immer ein Freund von Apple war. Er hält wenig von Technologie-Unternehmen mit ihren kurzen Produktlebenszyklen und oftmals ihrer Abhängigkeit von einzelnen Personen, so wie es bei Apple lange Zeit der Fall war. Das hast sich aber aus Sicht von Buffett mittlerweile geändert und so sieht er neben der Strahlkraft der Marke Apple auch Apples geschlossenes Ökosystem (diverse Endgeräte, die durch Cloud-Technologien verbunden sind) als starken Burggraben an und ist mittlerweile im großen Stil in das Unternehmen investiert.

Verbrauchermonopole können aber auch durch eine starke Marke, die über Jahrzehnte aufgebaut und gepflegt wurde, entstehen. Dafür ist Coca-Cola ein Beispiel, eine auf der ganzen Welt bekannte Marke mit einer stabilen Position. Am Burggraben von Coca-Cola sind schon viele Konkurrenten und Nachahmer gescheitert. Es gibt verschiedene Arten von Moats. Hier die wichtigsten:

Marke: Marken wie Coca-Cola, McDonald’s, Apple, Nike, Mercedes etc. sind kaum zu verdrängen.

Niedrigkostenhersteller: Wenn ein Unternehmen es schafft, dauerhaft die günstigsten Preise anzubieten und dabei trotzdem noch profitabel zu sein, ist es kaum besiegbar. Ein bekanntes Beispiel ist der US-Einzelhändler Wal-Mart.

Hohe Wechselkosten: Microsoft hat es geschafft, dass sein Betriebssystem Windows in Unternehmen und Behörden auf so gut wie allen Rechnern installiert ist. Für große Organisationen wäre es ein extremer, kostspieliger Aufwand, komplett auf Apple oder Linux umzusteigen.

Netzwerkeffekt: Quasi alle Kunden und alle Anbieter sind auf dem Online-Marktplatz Amazon präsent. Wenn man also online etwas verkaufen möchte, dann führt kein Weg an Amazon vorbei.

Geistiges Eigentum: Pharmakonzerne besitzen Patente auf Medikamente. Und solange sie diese Patente halten, darf kein Konkurrent das gleiche Medikament anbieten.

Filter 3: Das Management

Unternehmen, die diesen zweiten Filter erfolgreich durchlaufen haben, werden von Value-Investoren einer genaueren Prüfung unterzogen und müssen weitere Eigenschaften vorweisen. Zunächst muss das Unternehmen als dritten Filter von einem kompetenten und integren Management geleitet werden. So wie Eingangs geschrieben, sollte ein Unternehmen auch einen unfähigen CEO überstehen können, das bedeutet allerdings nicht, dass ein Investor das Management ignorieren sollte. Das Gegenteil ist der Fall, denn ein kompetentes Top-Management ist für eine langfristig angelegte Investmentstrategie, so wie sie von Value-Investoren verfolgt wird, ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Solide Finanzen sieht Buffett als eine Hauptaufgabe des Managements und als ein wichtiges Merkmal für oder gegen eine Investitionsentscheidung.

Vor allem die Verwendung des Kapitals (engl. „Asset Allocation“), wie oben beschrieben, ist für Buffett ein Indikator mit welcher Philosophie ein Unternehmen geleitet wird. Buffett schätzt Manager, die den langfristigen Erfolg eines Unternehmens und seiner Aktionäre im Blick haben.

Naturgemäß ist es nicht einfach, die Fähigkeiten und tatsächlichen Ziele des Managements von außen zu bewerten. Buffett bedient sich deshalb verschiedener Indikatoren, die einen Hinweis auf bestimmte Eigenschaften des Managements liefern. Dabei hat er einen schönen Vorteil, denn er kann durch seine Bekanntheit und Bedeutung in der Finanzwelt, anders als die meisten Privatinvestoren, im persönlichen Kontakt mit CEOs deren Strategie besprechen. Ungeachtet dessen gibt beispielsweise eine dauerhaft stabile Eigenkapitalrendite einen Hinweis auf ein gut geführtes Unternehmen. Auch die Höhe der Verschuldung kann ein Indiz sein. Allerdings helfen diese bilanztechnischen Kennzahlen – zumindest beim Value Investing – nur im Zusammenhang mit einem grundlegenden Verständnis des Geschäftsmodells und des Marktes, in dem sich das Unternehmen bewegt.

Angaben über die Vergütung des Vorstands und über variable Komponenten seiner Bezahlung können ebenfalls als Indikator herangezogen werden. Ein zu hoher variabler Anteil könnte einen Zielkonflikt auslösen und das Management eher zu kurzfristig orientiertem Verhalten verleiten. Buffett und Munger lieben hingegen CEOs und CFOs, die selbst viele Aktien des eigenen Unternehmens halten und somit einen finanziellen Anreiz haben, im Interesse der Aktionäre zu handeln. Werden einige dieser Indikatoren deutlich verletzt, so ist das für Value-Investoren ein deutlicher Hinweis, ein Investment zu vermeiden.

Filter 4: Margin of Safety, der Sicherheitspuffer

Macht das Management seine Sache gut und verfügt das Unternehmen zudem über einen soliden Burggraben, dann muss als vierter Filter noch die Frage nach dem fairen, inneren Preis und der „Margin of Safety“ beantwortet werden. Damit rückt die quantitative Seite des Value Investings in den Mittelpunkt – die Fundamentalanalyse. Sie basiert auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, die natürlich ermittelt aber auch interpretiert werden müssen. Ein grundsätzliches Verständnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge und bilanztechnischer Anforderungen ist dabei unerlässlich. Die Ermittlung des inneren Wertes eines Unternehmens oder einer Aktie, kann auf verschiedene Weise stattfinden. In der Praxis wird dafür häufig das KGV, also das Kurs-Gewinn-Verhältnis, als wichtiger Indikator herangezogen. Das aktuelle KGV kann dann mit den Werten der Vergangenheit oder mit den Werten der Konkurrenz verglichen werden und gibt damit einen Hinweis auf die Bewertung des Unternehmens. Es besteht dabei die Gefahr, dass der innere Wert zu ungenau ermittelt wird, etwa weil wichtige Parameter wie beispielsweise Patente oder lukrative Produktentwicklungen kaum Berücksichtigung finden. Deshalb nutzen Investoren auch sogenannte Discounted-Cashflow- Modelle, um den inneren Wert von Aktien anhand der zu erwartenden Entwicklung des Cashflows zu ermitteln. Doch auch diese Zahl ist eine Prognose und suggeriert damit eine Präzision, die eigentlich nicht vorhanden ist.

Umso klarer wird die Bedeutung der vier Filter insgesamt als Grundlage einer guten Investitionsentscheidung. Wird jeder dieser Filter konsequent angewendet, so lässt sich am Ende eine fehlerbehaftete Einschätzung eines Unternehmens zumindest reduzieren. Als zusätzliche Sicherheit kommt die Margin of Safety, eine Sicherheitsmarge ins Spiel. Sie bezeichnet nichts anderes als die Differenz zwischen Kaufkurs und dem tatsächlichen inneren Wert einer Aktie. Je größer die Differenz ist, umso größer die Sicherheitsmarge und umso stärker ist das Investment gegen Fehleinschätzungen und unvorhersehbare Ereignisse geschützt. Buffett und auch Graham betrachten die Margin of Safety als einen der wichtigsten Bausteine des intelligenten Investierens. Weil der reale Wert des Unternehmens bereits ermittelt ist, lässt sich schon im Vorfeld eine Sicherheitsmarge einplanen, die mindestens erreicht werden muss. Der Rest ist Warten auf einen Einstiegskurs, der diese Anforderung erfüllt. Übrigens steigt auch die Rendite bei Kaufkursen unterhalb des realen Wertes deutlich.

Value-Investing ist nicht gleich Value-Investing

Benjamin Graham hat seinen Schüler Warren Buffett schnell vom Ansatz des wertorientierten Investierens überzeugt. Graham hat die beiden quantitativen Faktoren Wert und Preis mechanisch angewendet, das Geschäftsmodell des Unternehmens interessierte ihn nicht. Weil günstig nicht automatisch gut bedeutet, sind unter den ausgewählten Aktien immer auch Flops zu verzeichnen. Weil Graham aber in zahlreiche Unternehmen investierte, wurden diese immer durch die Renditebringer aufgefangen und somit insgesamt positive Renditen erwirtschaftet. Warren Buffett begann seine Laufbahn als Investor ebenfalls nach diesem Modell. Doch er erkannte – u.a. durch den Einfluss seines Partners Charly Munger – die Grenzen des quantitativen Investierens. Er verfeinerte Grahams Ansatz und setzte fortan auf einige wenige, dafür aber wertvolle Unternehmen, deren Geschäftsmodell er verstand. Buffett verfolgte den Ansatz des qualitativen Investierens. Inzwischen haben sich weitere Interpretationen des ursprünglichen Ansatzes von Graham entwickelt. Allen gemein ist die Suche nach günstig bewerteten Unternehmen. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art, wie sie den intrinsischen Unternehmenswert ermitteln und welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen. So gibt es Investoren wie Peter Lynch, die sich zwar am inneren Wert des Unternehmens orientieren, dazu aber vor allem hohe Wachstumsraten erwarten. Auch die Beurteilung des Burggrabens wird teilweise unterschiedlich gehandhabt. Es gibt keinen einheitlichen Weg, kein standardisiertes Verfahren, um den inneren Wert zu ermitteln. Aus diesem Umstand heraus lassen sich die Unterschiede der meisten Value-Strategien erklären.

Exkurs: EffizienteMärkte

Unter Investoren erfreut sich der Ansatz des Value-Investings weltweit großer Beliebtheit. Ganz anders in der akademischen Welt, die den Ansatz nahezu vollständig ignoriert. Erfolgreiche Investoren wie Warren Buffett werden als statistische Ausnahmen betrachtet, deren Existenz die Regel bestätigt. Und die Regel sind nach gängiger Lehrmeinung effiziente Märkte, deren Preise immer auch den wahren Wert einer Sache abbilden. Aus diesem Grund sei die Strategie des Value-Investings praktisch nicht möglich, weil es keine signifikante Differenz zwischen Kurs und Wert gäbe.

Die Theorie der effizienten Märkte basiert auf Beobachtungen von Eugene Fama. Ihm entgegen steht die Schule der „Verhaltensökonomie“, die der menschlichen Psychologie mehr Platz einräumt und deren prominentester Vertreter Robert Shiller ist und dessen Buch „Irrationaler Überschwang“ sehr zu empfehlen ist. Fama und Shiller haben 2013 zusammen mit Lars Peter Hansen den Nobel-Preis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.

Auf effizienten Märkten herrschen größtmögliche Transparenz und alle Teilnehmer handeln absolut rational. So die Theorie. In der Praxis wissen wir, dass an den Börsen irrationales Verhalten sehr verbreitet ist. Dadurch entstehen die Abweichungen des Aktienkurses vom inneren Wert einer Aktie und genau diesen Umstand machen sich Value Investoren zunutze. Dafür beachten sie wie bereits beschrieben unter anderem das KGV, als einen wichtigen Indikator. Neben der Betrachtung von Aktien einzelner Unternehmen lässt sich auch für den Gesamtmarkt eine ähnliche Prognose ermitteln, die einen ungefähren Anhaltspunkt liefert.

Das Shiller-KGV

Weil das klassische Kurs-Gewinn-Verhältnis zu Unschärfen neigt, etwa weil es bestimmt interne oder externe Einflüsse nicht richtig abbilden kann, hat Robert Shiller mit dem Shiller-KGV (engl. „CAPE“, bzw. „cyclically adjusted PE“) eine modifizierte Version entwickelt. Shiller ermittelt den Wert aus den vergangenen zehn Jahren und schafft es dadurch, kurzfristige Schwankungen abzuflachen, Inflation einzubeziehen und Konjunkturzyklen stärker zu berücksichtigen. Das Shiller-KGV wird häufig zur Bewertung eines breiten Aktienindex, anstatt einzelner Aktien, verwendet. Dadurch hat der Investor einen ruhigeren Blick auf den Gesamtmarkt und kann das aktuelle Börsengeschehen realistischer einschätzen.

Der Buffett-Indikator

Warren Buffett hat es als Investor auch zum Namensgeber für einen Börsenindikator gebracht. Der sogenannte Buffett-Indikator misst den gesamten Börsenwert eines Landes im Verhältnis zum aktuellen Bruttoinlandsprodukt BIP. Als Ergebnis wird ein Quotient ausgegeben, der das aktuelle Marktgeschehen bewerten soll. So soll ein Buffett-Indikator von weniger als 50 auf eine Unterbewertung des Marktes hindeuten, ein Wert von 115 und mehr auf eine Überbewertung. Die Werte dazwischen sollen ein Indikator für eine faire Bewertung sein.

Für wen ist Value-Investing geeignet?

Investoren, die sich Warren Buffett zum Vorbild nehmen und die Idee des Value-Investings verfolgen wollen, sollten in erster Linie einen langen Atem haben. Value-Strategien haben meist einen langen Anlagehorizont von zehn und mehr Jahren. Außerdem verlangt dieser Anlagestil durchaus einen hohen Zeitaufwand, da man als Investor eine detaillierte Fundamentalanalyse vornehmen muss, die das Studium der Bilanzen, der Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, des Geschäftsmodels, der Konkurrenz, der Managements, usw. umfasst. Ist ein Investor von der Auswahl seines Investments und der richtigen Beurteilung des Unternehmenswerts überzeugt, dann muss er nur den richtigen Einstiegskurs abwarten. Kurzfristige Schwankungen interessieren ihn danach nicht mehr, auch wenn das Portfolio mit wilden Ausschlägen auf sich aufmerksam macht. Ob er mit seiner Investment-Entscheidung tatsächlich richtig lag und er damit besser abschneidet als der Marktdurchschnitt, wird sich häufig erst nach Jahren zeigen.

Insofern kann prinzipiell sowohl der professionelle Investor als auch der ambitionierte Privatinvestor Value Investing betreiben. Weil es in der Regel eher wenige Transaktionen gibt, sind die Kosten und Steuern über die Laufzeit relativ gering. Dem gegenüber stehen allerdings im Erfolgsfall hohe Renditen. Die Erfolge sind aber von Investor zu Investor extrem unterschiedlich und lassen sich aufgrund der stark variierenden Methodiken statistisch nicht wirklich analysieren bzw. validieren.

Dieser Text ist ein Auszug aus einem Ghostwriting-Projekt. Das Buch „Der Weg des Investors“ ist inzwischen in 2. Auflage erschienen.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein
Digital disruptiv oder Veränderung ist machbar

Digital disruptiv oder Veränderung ist machbar

Der fortschreitende Einzug digitalisierter Prozesse und Produkte in nahezu alle Branchen scheint disruptiv zu sein. Was gestern noch galt hat schon morgen keine Bedeutung mehr. Doch stimmt das eigentlich? Bei genauer Betrachtung wird die Mogelpackung entlarvt. Nicht überall wo digital draufsteht, ist Disruption drin.

Von der Pole-Position ins Aus

Disruption ist ein hässliches Wort. Zerstörung, oder vielleicht etwas milder Unterbrechung oder Veränderung, wirken erstmal unbequem, machen Schluss mit Gewohnheiten können gar Angst einflössen. Ganz anders die Digitalisierung. Damit verbinden wir im besten Sinne des Wortes Innovation, Fortschritt und insgesamt eher Verbesserung. Was ist dann digitale Disruption?

Als ein Beispiel wird dann gerne der Niedergang der Traditionsmarke Kodak genannt. Vom bedeutenden Produzenten fotografischer Ausrüstung auf direktem Weg in die Pleite. Möglich machte das der Siegeszug der Digitalkamera, denn selbst orthodoxe Anhänger der analogen Fotografie konnten die Vorteile der Digitalfotografie nicht dauerhaft ignorieren. Die zunehmende Verbreitung der Smartphones mit integrierter Digitalkamera besorgte den Rest. Alle Versuche des amerikanischen Unternehmens den Anschluss erneut zu bekommen scheiterten und endeten schließlich 2012 mit der Insolvenz und dem Verkauf der Fotosparte. Heute hat Kodak im Geschäft mit der Fotografie keine Bedeutung mehr. Das eigentlich tragische an diesem Beispiel ist, das Kodak die Digitalkamera erfunden hat, das Potenzial der Erfindung aber nicht wirklich erkannte.

Sicher ist Kodaks Entwicklung nicht nur auf eine frühe Fehlentscheidung zurückzuführen. Aber das Beispiel zeigt sehr anschaulich was der kürzlich verstorbene Clayton Christensen, Erfinder des Begriffs „disruptive Innovation“, immer wieder betonte. Clayton nannte dies erhaltende Innovation. Das meint nichts anderes, als dass sich erfolgreiche Unternehmen auf ihre lukrativen Kunden und Geschäftsfelder konzentrieren und für diese bestehende Produkte immer weiter verbessern. Riskanten neuen Entwicklungen geht man dann lieber aus dem Weg und scheitert am Ende. Ein Dilemma für etablierte Unternehmen, aber eine Chance für Start-ups.

Kulturwandel mit Tücken

Manager müssen disruptive Technologien frühzeitig erkennen können, um in ihren Geschäftsfeldern erfolgreich zu bleiben, war sich Clayton sicher. Doch dafür bräuchte es andere Organisationsstrukturen, in denen sich disruptive Innovationen entwickeln können. Inzwischen sind seine Worte in den Vorstandsetagen angekommen und immer mehr Großkonzerne versuchen bei Start-ups anzubändeln. Mit mäßigem Erfolg, denn disruptive Innovationen lassen sich nicht einfach in einer kurzen Auszeit mit Start-up-Kultur entwickeln und dann in schwerfällige Konzernstrukturen einbinden. Disruption braucht Querdenker und Regelbrecher, aber die werden in Konzernen nicht gerne gesehen. Disruption bedeutet aber immer auch Risiko und die Möglichkeit des Scheiterns. Das mögen Konzernlenker genauso wenig.  

Clayton beschreibt in seinem Buch „The Innovators Dilemma“ zwei mögliche Prozesse disruptiver Innovationen. Beiden gemein ist der Anspruch, mit geringen Ressourcen und viel Lust an der Gestaltung etablierte Unternehmen und Geschäftsfelder herauszufordern. Junge Unternehmen mit disruptiven Geschäftsideen fang genau da an, wo etablierte Unternehmen nicht hinschauen. Sie wollen das einfachere Produkt, preiswerter und mit Potenzial zur Skalierung. Disruptive Unternehmen stellen den Kundenutzen und das Kundenbedürfnis in den Mittelpunkt ihres Handelns. Damit überzeugen sie immer mehr Kunden und während sie von den etablierten Mitbewerbern ignoriert werden, erobern sie schließlich den Markt. Als zweiten möglichen Prozess beschreibt Clayton die Schaffung neuer Märkte durch innovative Produkte oder Dienstleistungen.  

Wann ist Digital auch disruptiv?

Die heute fortschreitenden digitalen Technologien haben dem neuen Verständnis der Disruption den Weg geebnet und Möglichkeiten erschaffen, wie sie in der analogen Welt kaum denkbar waren. Dabei waren die Nerds in den IT-Abteilungen schon immer auch disruptiv unterwegs. Für sie gehört das neue, das andere quasi zur DNA. Die Nerds pflegen ihre eigene Kultur, kümmern sich nicht um die Konventionen und Regeln des Geschäftslebens und werden deshalb schon argwöhnisch betrachtet. Gepaart mit geschäftlichem Erfolg werden sie gar als Bedrohung wahrgenommen. Vor allem wenn sie in konservative Geschäftsfelder wie beispielsweise die Finanzwelt vordringen und Geschäftsideen und Technologien entwickeln, die geeignet sind, die Bankenwelt auf den Kopf zu stellen, von etablierten Bankern aber kaum verstanden werden. Fintechs! Was soll das sein? Das klappt nie! So verwundert es nicht, wenn inzwischen jede scheinbare digitale Innovation auch als digitale Disruption bezeichnet wird. Nicht selten ein Fehlurteil.

So werden beispielsweise der Fahrdienst Uber oder die Vermietungsplattform AirBNB als Leuchttürme disruptiver Digitalisierung betrachtet. Wendet man allerdings Claytons Definition einer disruptiven Innovation an, so muss man in beiden Fällen zu einem anderen Urteil kommen. Beide Unternehmen setzten konsequent auf Digitalisierung und versuchen etablierte Märkte zu verändern. Sicher, Uber hat im etablierten Taxi-Gewerbe für viel Unruhe gesorgt und in etlichen Ländern neue gesetzliche Regelungen angestoßen. Doch setzt Uber nur auf ein bestehendes Geschäftsmodell auf, erschließt weder neue Märkte noch neue Kundengruppen. Uber wäre für Clayton eine erhaltende Innovation. Dennoch hat das amerikanische Start-up die Welt der Taxiunternehmen durcheinander und gegen sich aufgebracht. In den meist kleinen Taxiunternehmen herrschte anfangs regelrechte Panik angesichts des milliardenschweren Start-ups aus dem Silicon Valley.

Flussaufwärts gegen den Strom

Jahre zuvor hatte der etablierte Buch- und Einzelhandel in Deutschland eine ähnliche Erfahrung gemacht. Mit dem zunehmenden Erfolg von amazon forderten die örtlichen Buchhändler nach Regulierung und bettelten ihre Kundschaft regelrecht an, ihre Bücher doch weiterhin am Ort zu kaufen. Sonst, so die weitverbreitete Drohung, würde es bald keinen lokalen Buchhandel mehr geben. Die Gegenwart zeigt ein anderes Bild. Der Buchhandel hat sich verändert, aber er lebt noch immer.

Unternehmen sollten daraus eine wichtige Lehre ziehen, sie müssen die neuen Herausforderungen als Chance begreifen. Unternehmen die im Red Ocean – dem gesättigten Markt bequem mitschwimmen wollen, werden auf Dauer untergehen. Wettbewerb und Unsicherheit sind eine Tatsache, die als Chance begriffen werden muss. Unternehmen mit disruptivem Potenzial erkennen die Chancen, verlassen etablierte Strukturen und stoßen in neue Märkte – dem Blue Ocean vor. Digitalisierung bietet die Möglichkeit und disruptive Digitalisierung ist die Chance.

Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, ist eine bekannte Weisheit aus Marketing und Werbung. Sie beschreibt ebenso deutlich die Herausforderung und den Anspruch digitaler Disruption. Produkte und Dienstleistungen müssen besser und wettbewerbsfähiger werden und nicht einfach nur cooler. Digital disruptive Produkte sind intuitiv, sie wecken Bedürfnisse, die der Kunde vorher nicht hatte und sie verändern Lebensgewohnheiten. Keine 15 Jahre ist es her, das hat der US-Amerikaner Steve Jobs mit seinem Unternehmen Apple ein Produkt auf den Markt gebracht, dessen Nutzen viele zunächst nicht erkannten. Als 2007 das erste I-Phone in den Regalen lag, war nicht zu ahnen, welche Bedeutung es innerhalb kürzester Zeit erlangen konnte. Heute ist ein Leben ohne Smartphone kaum mehr vorstellbar. Der Erfolg lag sicher in der Weitsicht eines Steve Jobs, aber er hat noch weitere Väter. Denn mit dem Siegeszug der Smartphones hat sich der Umgang mit digitalen Inhalten jeder Art vollständig verändert.

Jobs hat mit dem I-Phone einen Kundenutzen geschaffen, den es vorher nicht gab und der jetzt nicht mehr wegzudenken ist. Er hat die Stärke Appels genutzt, intuitiv bedienbare und dabei noch schön anzusehende Produkte zu entwickeln und gleichzeitig ein plattformbasiertes Geschäftsmodell etabliert. Erst das vielfältige Angebot an Apps machte aus dem I-Phone das erfolgreiche Produkt. Erst die App macht aus dem I-Phone das Produkt mit echtem Kundennutzen und sorgt für den entscheidenden Impuls: Das muss ich haben. Apple hat sich dabei voll auf seine Kernkompetenz konzentriert und die Fähigkeit zur Entwicklung leistungsfähiger Apps, genau denen überlassen, die davon etwas verstehen. Durch die Bündelung auf dem eigenen Marktplatz ist Apple aber immer noch Herr über das Geschehen und Gatekepper für das Hauptprodukt I-Phone.

Digitale Disruption ist kein Schicksal, sondern eine Haltung

Apple hat im besten Sinne disruptiv gehandelt. Hat einen neuen Markt und ein neues Kundenbedürfnis aus der Taufe gehoben, hat Handys vorheriger Bauart fast vollständig vom Markt verdrängt und damit schlussendlich den Gesamtmarkt der Informations- und Kommunikationstechnologie nachhaltig verändert. Denn aus dem zaghaften „online first“ der 2000er Jahre ist längst ein „mobile first“ geworden. Wie konnte das gelingen? Apple und Steve Jobs in Person machten zu dieser Zeit und auch die Jahre davor zwei Dinge sehr richtig.

Jobs hat quasi eine Unternehmenskultur der digitalen Disruption gepflegt. Alles sollte möglich sein oder möglich gemacht werden. Apple hat die digitale Transformation bereits gelebt, als sie in vielen etablierten Unternehmen noch skeptisch betrachtet wurde. Nach den schweren Rückschlägen durch die Dotcom-Blase war in vielen Unternehmen business as usual angesagt, hatten Werte, Produkte und Prozesse etablierter Industrien wieder Konjunktur. Unternehmen wie Nokia hat diese Entwicklung, neben anderen Managementfehlern, sprichwörtlich das Genick gebrochen. Heute spielt der einstige Star der Mobilfunktechnologie praktisch keine Rolle mehr.

Allerdings war der Siegeszug des I-Phones nicht vorhersehbar. Unternehmen die die digitale Transformation aktiv mitgestalten wollen brauchen eine hohe Risikotoleranz. Scheitern nicht ausgeschlossen. Sicher wollte Jobs nicht zu den Verlierern gehören, aber er ist das Risiko eingegangen.  Nicht kopflos, sondern mit einer Unternehmenskultur die Kreativität, Schnelligkeit, Präzision und Kundennutzen zum Dogma erhob und einer Unternehmensstrategie der digitalen Disruption. Für Jobs war klar, die Karten werden jetzt neu gemischt. Wer dann abwartet und nur auf bewährte Konzepte setzt wird nicht zu den Gewinnern gehören. Komfortzone gegen Siegertreppchen ist die Entscheidung die Unternehmen aktiv treffen müssen.

Diese Entscheidung haben auch andere Unternehmen aus dem Silicon Valley und der weltweiten Start-up-Szene getroffen. Sie wollen zu den Siegern gehören und setzen oftmals alles auf eine Karte, im festen Glauben an die Überlegenheit ihres Geschäftsmodells. Doch längst nicht jedes, mit Milliarden gepimpte Jungunternehmen ist ein Vorreiter digitaler Disruption. Nicht selten werden einfach nur Modeerscheinungen verfolgt, wird kopiert und möglichst schneller skaliert als es die Konkurrenz schafft. Mit viel Geld wird die Strategie des First-Mover-Advantage verfolgt in der Hoffnung den Markt zu beherrschen. Dabei können Kreativität, Innovationsgeist und Kundenutzen auf der Strecke bleiben.

Unternehmen die wirklich digital disruptiv unterwegs sind, folgen keinen Modeerscheinungen, sondern erkennen langfristige Trends, surfen auf dieser Welle zum Erfolg und gestalten ihre Märkte. Das erfordert manchmal einen langen Atem und der muss durch mutige Investoren ermöglicht werden. Ein Beispiel dafür ist Facebook. Die Idee und Vision von Marc Zuckerberg wurden von vielen Akteuren lange nicht verstanden. Heute sind soziale Netzwerke nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken.

Echte digitale Disruption ist also nicht einfach nur ein digitales Kleidchen für bestehende Produkte. Für digital affine Führungskräfte sind digitale Transformation und disruptive Innovation Antrieb und digitale Disruption nicht nur ein Buzzword, sondern unternehmerische Chance.

Diesen Magazin-Text habe ich als Ghostwriter für einen Managementberater geschrieben.

Posted by Thomas Feldhaus in Allgemein